Bericht von Gaby Weber vom dritten Weltsozialgipfel in Porto Alegre
Im Rahmen des dritten Weltsozialgipfels in Porto Alegre berichteten ehemalige
Arbeiter von Mercedes Benz Argentinien über die Morde an ihren Kollegen
während der Militärdiktatur und die Verwicklung des Gewerkschaftschefs
José Rodríguez. Die brasilianische Metallarbeiter-Gewerkschaft
CNM hatte dazu eingeladen, um ein weiteres Vorgehen gegen Rodríguez mit
Gewerkschaftern aus aller Welt zu diskutieren. Und es kamen zahlreiche Aktivisten
und Funktionäre. Man mußte sogar in einen größeren Raum
umziehen.
Seit Anfang der siebziger Jahre bekleidet José Rodríguez, seit
dreißig Jahren Chef der argentinischen Automobilarbeiter-Gewerkschaft
SMATA, das Amt des Vizepräsidenten des Internationalen Metallarbeiter-Bundes
IMB, spanische Abkürzung Fitim. Spätestens seit November 2001
dem letzten IMB-Kongreß in Sidney - ist seine Person umstritten. Er hat
nicht nur vor einem argentinischen Gericht behauptet, von den während der
Militärdiktatur (1976-83) 30.000 Verschwundenen bis Mitte der achtziger
Jahre nie etwas erfahren zu haben. Die Familienangehörigen und Ex-Arbeiter
von Mercedes Benz werfen ihm vor, vor und während der Diktatur eng mit
den Militärs zusammen gearbeitet zu haben und an der Ermordung von 15 Betriebsräten,
die in Opposition zur offiziellen Gewerkschaft SMATA standen, beteiligt gewesen
zu sein. Wiederholt haben wir darüber berichtet.
Im Oktober letzten Jahren wurde in Buenos Aires Strafanzeige wegen Bildung einer
kriminellen Vereinigung gegen Mercedes Benz, Militärs und SMATA-Chef Rodríguez
eingereicht, die Anzeige wurde angenommen, die Ermittlungen laufen. Neben einer
Fülle von Beweisen reichte Staranwalt Ricardo Monner Sans auch das Tarifabkommen
aus dem Jahr 75 ein, das festschreibt, daß Mercedes wie auch andere
Autofirmen ein Prozent des Verkaufserlöses in einen Geheimfonds einzahlen,
über den Rodriguez verfügte. Ziel dieser Gelder war die "Auslöschung
negativer Elemente in der Fabrik". Dies war dann bekanntlich auch geschehen.
In Sidney waren innerhalb des IMB die Vorwürfe gegen ihren Vizepräsidenten
kaum bekannt, damals wurde Rodríguez wieder gewählt, vor allem weil
Klaus Zwickel, IMB-Präsident, die Hand über ihn hält. Er weigert
sich seit Jahren, belastende Dokumente gegen seinen Stellvertreter auch nur
entgegen zu nehmen. "Kein Bedarf", hatte er mir noch kurz vor dem
Kongreß in Australien mitgeteilt. Und auch IMB-Generalsekretär, Marcello
Malentacchi, sagte mir vor einem Jahr im Rahmen des zweiten Weltsozialgipfels
in Porto Alegre, daß der IMB über keine Möglichkeiten verfügt,
Vorwürfe zu untersuchen und ggfs. Mitglieder auszuschließen, daher
habe er an Dokumenten ebenfalls keinen Bedarf. Was aber nur die halbe Wahrheit
ist, denn die indonesische Gewerkschaft wurde wegen ihrer jahrelangen Kollaboration
mit dem Militärregime ausgeschlossen.
Doch seitdem ist viel passiert. Schon wenige Monate nach Sidney beantragte die
österreichische Metallarbeiter-Gewerkschaft offiziell eine Untersuchung
gegen José Rodríguez. Inzwischen haben sich ebenfalls offiziell
die Franzosen, die Italiener und die Spanier angeschlossen.
Auf der letzten Sitzung des Exekutivkomitees in San Diego forderte der brasilianische
CNM-Generalsekretär Fernando Lopes die sofortige Suspendierung von Rodríguez.
Zwickel lehnte dies kategorisch ab und entzog sogar dem französischen Vertreter,
der sich zu dem Thema äußern wollten, autoritär das Wort. Und
der und seine Kollegen schluckten dies.
Die Brasilianer schluckten dies nicht. Sie luden die Ex-Arbeiter nach Porto
Alegre ein. Unmittelbar vor dem Weltsozialgipfel hatte dort auch ein Treffen
des IMB stattgefunden, die Mercedes-Arbeiter forderten IMB-Generalsekretär
Malentacchi auf, auf dem Treffen über Rodríguez informieren zu dürfen.
Dies lehnte Malentacchi ab, lud sie aber privat zu sich ins Hotel ein. Dort
erzählte er ihnen, daß er ganz "auf ihrer Seite stünde"
und ebenfalls für die Menschenrechte eintrete. Solange aber Rodríguez
nicht freiwillig zurück trete, seien ihm die Hände gebunden.
Das CNM-Workshop am nächsten Tag war gut besucht. Der kanadische Metallarbeiter-Chef
und die aus Südafrika angereisten Kollegen forderten ebenfalls eine Untersuchung
im IMB und sprachen von einem "Skandal". Der brasilianische IMB-Vizepräsident
bezeichnete Zwickel als "Diktator", der keine Kritik zulasse. Sie
kündigten an, daß wenn Zwickel weiter blocke und ohne Begründung
vermeintliche Menschenrechtsverletzer schützt, sie dann von ihrem Amt zurück
treten. Die Teilnehmer am Workshop formulierten eine entsprechende Erklärung,
die dem IGM-Chef zugeschickt werden soll.
Die deutschen Teilnehmer am Workshop der IG Metall und des DGB zeigten sich
überrascht und meinten, daß ihnen die Vorwürfe gar nicht oder
zu wenig bekannt gewesen seien. Sie versprachen sich, innerhalb ihrer Organisationen
für Aufklärung und für die Menschenrechte einzusetzen.
Gaby Weber aus Porto Alegre