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Während bis zur Hauptversammlung der Aktionäre von Daimler Chrysler die Unternehmensleitung immer noch auf die Strategie des Aussitzens setzt und die Vorwürfe, an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen zu sein, totschweigt, ist in Argentinien in den letzten Wochen Bewegung in die Angelegenheit gekommen.
Vor dem "Wahrheitstribunal" in La Plata, dem Juicio por la Verdad, waren mehrere Zeugen geladen worden. Das Landgericht kann wegen der immer noch herrschenden Amnestiegesetze niemanden verurteilen, es soll aber das Schicksal der während der Militärdiktatur (1976-83) Verschwundenen aufklären.
Geladen waren Juan Tasselkraut, Produktionschef im Mercedes-Werk in Gonzalez Catan bis Ende 2001, gegen den die Staatsanwaltschaft Nürnberg wegen Beihilfe zum Mord ermittelt. Er hatte bereits Ende letzten Jahren ausgesagt. Den Vorwurf, Adressen von unbequemen Arbeitern an die Polizei weitergegeben zu haben, bestritt er, beschrieb aber sehr anschaulich, dass aufgrund des linken, in Opposition zur offiziellen korrupten Gewerkschaft SMATA stehenden Betriebsrates die Produktivität im Werk um über die Hälfte gesunken war. Nachdem die linken Betriebsräte - mindestens 14, wahrscheinlich mehr - ermordet worden waren, pendelte sich die Produktivität wieder auf einen normalen Level ein. Vom Richter befragt, ob dies mit den Morden zu tun habe, antwortete er: "Wunder gibt es nicht, Euer Ehren".
Geladen im März, nach den Gerichtsferien, auch Arnoldo Ceriani, damaliger Personalchef im Mercedes-Werk, sowie Ruben Cueva, Justiziar bis 82. Ceriani bestritt eine Zusammenarbeit mit der Repression und schob diese Kontakte auf seinen Vorstands-chef, Pedro de Elias, der inzwischen praktischerweise verstorben ist. Er bestätigte den Fall der Produktivität um die Hälfte. Nach der "Revolution" - damit meinte er den Putsch der Generäle im März 1976 - waren Lohnverhandlungen verboten. Sowohl die rechte Gewerkschaft SMATA wie auch die Betriebsräte seien aber in den Fabriken weiter aktiv gewesen. Er bestritt die regelmäßigen Razzien der Militärs in der Fabrik, in den Spinden, am Werkstor, am Arbeitsplatz. Er habe an den Lohnverhandlungen am 4. Januar 77 mit Personalvorstand de Elias und den beiden Betriebsräten Reimer und Ventura teilgenommen. Die beiden Betriebsräte hatten am selben Abend ihren Familienangehörigen erzählt, daß sie sich wunderten, so "freundlich" von den Pesonalchefs behandelt worden sein. In der selben Nacht wurden die beiden in ihren Wohnungen verschleppt und später ermordet. Die Polizisten sagten "das ist wegen der Firma", so Witwe Reimer schon vor zwei Jahren in ihrer Zeugenaussage in La Plata. Ceriani bestritt das. Er will von den Verschleppungen erst am nächsten Morgen erfahren haben, sein erster Gedanke: "das war die opposition". Wen er mit "Opposition" meinte, verriet er nicht. Den Werkschutzchef Ruben Lavallen habe er nur flüchtig gekannt. Sein Chef habe ihn eingestellt. Dass er im nahegelegenen Folterzentrum das Kommando führte, wo auch MErcedes-Betriebsräte gefoltert worden sind, und dass er die kleine Tochter eines ermordeten Ehepaars geraubt hat (wofür er rechtskräftig verurteilt ist), will er nicht gewußt haben. Warum er gekündigt worden sei: "Weil diese Großmütter von der Plaza de Mayo seine (!) Tochter verlangten". Daß eine Genanalyse bewies, daß nicht er, sondern die Großmutter mit der Kleinen verwandt war, erwähnte er nicht.
Für Aufsehen erregte die letzte Vernehmung von Justiziar Ruben Cueva. Er hatte bereits im Oktober 1975, als die Todesschwadronen Jagd auf Linke machten, eine Liste mit Namen, Privatadressen und Nummern des Personalausweises seiner Betriebsräte an die politische Polizei der Bundespolizei übergeben. Er verdächtigte sie darin als "Kommunisten" und "Montonero-Freunde". Das hatte in jenen Tagen ein Todesurteil bedeutet.
Cueva war anscheindend nicht darauf vorbereitet, daß ihm dieses Protokoll vorgelegt wurde. Er bestätigte es aber "das ist meine Handschrift". Warum er diese Namen übergeben habe, konnte er nicht erklären. Er bestritt, sich an der Entführung seines Kollegen Metz persönlich bereichert zu haben und sprach im Gericht ins Mikro "(die Differenz) des Lösegeldes haben sich die Deutschen in die Tasche gesteckt". Die Guerilla Montoneros hat 2 Millionen Dollar für die Freilassung des entführten Managers Heinrich Metz erhalten, Cuevas will 4 Millionen übergeben haben und das Mutterhaus in Stuttgart hat dem Finanzamt gegenüber 7,5 Millionen als "Betriebsausgabe" geltend gemacht.
Diese Differenz soll Aufsichtsratsvorsitzender Hilmar Kopper auf der Hauptversammlung erklären.
Cueva übrigens erzählte dem Gericht, daß Mercedes Benz damals glänzende Geschäfte mit dem argentinischen Heer gemacht habe und die umliegenden Kommissariate regelmäßig mit Geschenken gedacht habe, zu Weihnachten, Ostern etc. Dem Militärhospital der Kaserne Campo de Mayo, wo nachweislich der Betriebsrat Ratto gefoltert worden ist, habe man medizinische Geräte geschenkt, darunter auch ein Gerät für die Behandlung von Frühgeburten..
In Campo de Mayo brachten gefangene Regimegegner ihre Kinder zur Welt, die Gefangenen wurden danach ermordet, ihre Kinder von Offizieren "adoptiert".
Am Mittwoch den 10. April, während in Berlin die Aktionäre von Daimler Chrysler tagen, ist in La Plata der Folterer und Mercedes-Werkschutzchef Ruben Lavallen geladen. Er war bereits für März geladen, schickte aber ein Attest des Polizeiarztes, wonach er Diabetis habe und nicht transportfähig sei. Die Journalistin Gaby Weber "besuchte" den Kranken, der sie an seiner Haustür bedrohte und offensichtlich sich bester Gesundheit erfreute - bis auf einen geschwollen linken großen Zeh. Gaby Weber fotographierte ihn und schickte sein Photo [siehe unten] an den Vorsitzenden Richter Leopoldo Schiffrin. Der läßt ihn am 10. April vorführen.
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