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Unter dem Zeichen der internationalen Solidarität sollte der 30. Kongress des Internationalen Metallgewerkschaftsbundes (IMF) stehen, der vom 11. bis 15. November in Sydney stattfand. Der IMF vertritt 23 Millionen Metallarbeiter aus 193 Ländern. Themen wie "Globalisierung des Kapitals" und "nachhaltige Produktion" standen auf dem Programm, politisch korrekt und mehrheitsfähig, mit kritischen Fragen war nicht zu rechnen.
Die Kritik fand hinter vorgehaltener Hand statt. Der IMF sei ein Klub der Reichen, mäkelten die Lateinamerikaner. Daß von den 800 Delegierten über 120 aus dem Gastgeberland Australien kommen, war noch einzusehen. Aber warum darf Deutschland 52 Delegierte benennen und das bevölkerungsreiche Brasilien mit seiner organisierten Arbeiterschaft nur zwei? Liegt das daran, fragen die Brasilianer, daß die deutsche Arbeiterklasse gerne im regnerischen November auf die südliche Halbkugel reist?
Die Südamerikaner sind auf die Reisekostenzuschüsse des IMF angewiesen. Aber warum sollen, wenn Brasilien nur zwei Aktivisten schicken darf, diese beiden, Kollege und Kollegin, in Doppelzimmern schlafen, um Geld zu sparen? Vielleicht hat mans gut gemeint, unter dem Motto: Brasilien, Indianer, Karneval, Samba...
Aus Afrika war ohnehin nur eine Handvoll Gewerkschafter geladen, und dann verweigerte die australische Regierung den Teilnehmern aus Ghana, Kamerun, Elfenbeinküste, Tunesien und Algerien das Visum. Offizielle Begründung: Formfehler bei der Antragstellung. Der IMF protestierte lustlos.
Streit hätte es bei der Wahl des neuen Exekutiv-Komitees geben können. Dort thront seit Anfang der siebziger Jahre der damalige und heutige Generalsekreär der argentinischen Automobilarbeitergewerkschaft SMATA, José Rodriguez. Er soll während der Diktatur mit den Militärs gemeinsame Sache gegen die linke Gewerkschaftsopposition gemacht haben. Dies ist der IG Metall seit langem bekannt, aber José Rodriguez gilt als Schützling des IMF-Präsidenten Klaus Zwickel.
Am 16. August dieses Jahres mußte Rodriguez vor dem "Wahrheitstribunal" in La Plata erschienen, das das Schicksal der 30.000 verschwundenen Regimegegner aufklärt. Er erschien mit vier Leibwächtern. Die Richter fragten ihn nach seiner Rolle bei der Ermordung von vierzehn Betriebsräten bei Mercedes Benz. Nach dem Putsch wurden in allen Fabriken Gewerkschafter systematisch verschleppt, gefoltert und jahrelang in Lagern festgehalten. Doch fast alle überlebten, während die Mercedes-Betriebsräte, die vorher von SMATA ausgeschlossen worden waren, ermordet wurden.
Ihn treffe keine Mitschuld, behauptete Rodriguez: "Bei meinen Kindern und Enkelkinder schwöre ich, daß ich damit nichts zu tun habe". Nicht einmal an Verschwundene konnte er sich nicht erinnern. Gewiß, in den Betrieben seien Kollegen verhaftet worden. Daß sie gefoltert und ermordet wurden, will er erst nach der Diktatur erfahren haben.
Er habe sich für die verhafteten SMATA-Mitglieder eingesetzt, obwohl die Gewerkschaft verboten war. Auf die Frage, ob er sich für die in seinen Augen "verhafteten" Mercedes-Kollegen eingesetzt habe, antwortete er: "nein". Warum er dies unterlassen habe, konnte er nicht erklären.
"Er verhöhnt die Opfer", mailte das Menschenrechtsnetz REDH in alle Welt. "Jedesmal, wenn ein Kollege verschwand, sprachen wir bei den Militärbehörden vor" erinnerte eine Presseerklärung der "Gruppe der ehemaligen Mercedes-Arbeiter": "war Rodriguez der einzige, der von den Morden nichts wußte?". Selbst der damalige und heutige Produktionschef Juan Tasselkraut, gegen den die Nürnberger Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zum Mord ermittelt, plauderte in einem Rundfunkinterview aus, daß ihm bekannt war, daß die Menschenrechte der verschleppten Arbeiter "brutal verletzt wurden".
Jahrelang hat IG-Metall-Chef und IMF-Präsident Klaus Zwickel seine schützende Hand über Rodriguez gehalten. Da interessierte es ihn, als in einem Artikel für seine IGMetall-Zeitschrift diese Vorwürfe erwähnt wurden. Der Artikel erschien nie, aber Zwickel forderte die erwähnte Presseerklärung der "ehemaligen Mercedes-Arbeiter" an. Das Angebot, ihm die vollständige Rodriguez-Aussage zu faxen, lehnte sein Büro ab: "im Moment benötigen wir das Gerichtsprotokoll nicht. Wir werden uns in Sydney aber noch einmal mit dem Fall befassen".
Der Kongreß "befaßte" sich mit dem Fall, der SMATA-Chef wollte sich wieder ins Exekutiv-Komitee wählen lassen. Alle Delegierten waren über Email über die Rodriguez-Aussage informiert worden. Bei der Diskussion über die drei lateinamerikanischen Kandidaten fragte nur der Delegierte aus Ekuador, ob sich der Verband, der die Rechte der Arbeiterklasse weltweit schützen will, einen Vizepräsidenten leisten soll, der von zehntausenden verschwundenen Arbeitern nichts gewußt haben will. Doch sein Einwand ging unter, hinter den Kulissen hatte man sich längst arrangiert , Rodriguez wurde gewählt. Nur der uruguayische Delegierte enthielt sich. Warum er nicht gegen ihn stimmte? "Wir bekommen jedes Jahr 6.000 Dollar vom IMF für Bildungszwecke, auf die sind wir angewiesen".
Danach wurde über den Aktionsplan diskutiert. Unter Punkt 1.3. waren die "Rechte der Arbeiter und die Menschenrechte" aufgelistet, nachzulesen auf ihrer homepage: "Nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ist immer enger verknüpft mit dem Respekt der Menschenrechte und der Rechte der Arbeiter. Probleme wie Kinderarbeit oder die Diskriminierung der Frauen lassen sich nicht nur mit Kampagnen lösen, sondern müssen Teil einer globalen Politik sein, um die Probleme der Armut und der Unterentwicklung zu lösen". Da stand nichts davon, daß man unbequeme Gewerkschafter nicht verschleppen, foltern und irgendwo verscharren soll. Mit solchen untergeordneten Themen wollten sich die Teilnehmer den sozialen Teil des Kongresses nicht verderben lassen.
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