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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Statement Eduardo Fachal Berlin, 06. April 2004, Pressekonferenz der Kritischen Aktionäre anlässlich der DaimlerChrysler Hauptversammlung Ich war Mitglied des Betriebsrats von Mercedes Benz Argentinien während der schlimmsten Militärdiktatur, die wir in unserem Land erleiden mussten. Ich hatte diese Funktion nur wenige Monate inne, weil meine Kollegen, darunter Esteban Reimer, aufgrund ihres gewerkschaftlichen Engagements ermordet wurden. Der Rest des Betriebsrats, darunter ich selbst, trat zurück, um unsere Leben zu retten. Nach unserem Rücktritt entstand ein neuer Betriebsrat, der von der korrupten Gewerkschaft dominiert wurde und nicht in gleichem Maße die Rechte der Arbeitnehmer verteidigte. Auf die gleiche Art und Weise, wie sie mich damals zum Schweigen gebracht haben, hat mich heute der Bericht von Professor Christian Tomuschat zum Schweigen gebracht, der im Auftrag von DaimlerChrysler im Dezember 2003 veröffentlicht wurde. Ich wurde für diesen Bericht nie befragt, und trotzdem taucht mein Name im Bericht auf, als Mitglied des Betriebsrats, unter den Namen von Reimer und Ventura. Deswegen bin ich heute hier, damit Sie die Wahrheit hören. Während der Diktatur brachten die Militärs Oppositionelle um, aber es gab auch Zivilisten, darunter Vorstandsmitglieder von Mercedes Benz Argentinien, die an die Militärs unsere Namen und Adressen weitergaben. Tomuschat gibt zu, dass den Militärs gesagt wurde, Esteban Reimer sei ein Aufrührer. Das bedeutete damals das selbe, wie in Berlin zu Zeiten Hitlers zu sagen, jemand sei ein Jude. Am 04. Januar 1977 kamen Reimer, Ventura, sieben weitere Kollegen und ich von einer Sitzung auf der eine Lohnerhöhung aufgrund gesteigerter Produktivität ausgehandelt wurde. Deshalb, damit wir nicht mehr weiter stören, ließen sie Reimer und Ventura verschwinden und holten andere zu Hause ab. Ich selbst schlief bei Familienangehörigen und Freunden und rettete mein Leben, indem ich schwieg. Alle 15 Verschwundenen waren wie ich Delegierte oder Aktivisten, fast alle waren von der Firma entlassen worden, weil wir es 1975 nicht hinnehmen wollten, dass der Betriebsrat von der korrupten Gewerkschaft dominiert wird. Tomuschat leugnet dies. Er schreibt, die Firma trüge
keinerlei Verantwortung – als ob jemand, der seine Angestellten
als Aufrührer denunziert, die heute tot sind, keinerlei Verantwortung
tragen würde. Tomuschat schreibt, dass Mercedes Benz Argentinien
mit den Militärs kollaboriert hat, aber keinerlei Verantwortung trägt.
Tomuschat zweifelt die Aussage meines Kollegen Héctor Ratto an, der bei allen Prozessen gegen die argentinische Militärdiktatur (dem Prozess gegen die Militärjunta, dem Prozess der von den Nürnberger Staatsanwälten vorangetrieben wird, und dem Wahrheits-Prozess vor dem Berufungsgericht von La Plata) stets dasselbe ausgesagt hat. Tasselkraut, Produktionschef des Werks in Argentinien hat Hector Ratto an die Militärjunta ausgeliefert, die ihn dann abgeholt hat. Tasselkraut hat auch die Adresse von Diego Nuñez, der bis heute verschwunden ist, an die Spezialkräfte weitergegeben. Was muss getan werden, damit die Wahrheit ans Licht kommt und sich die selben Lügen der Diktaturen nicht wiederholen? Die Militärs sagten „irgendwas werden sie schon getan haben“, deshalb sind sie verschwunden, sie sind weder tot noch lebendig, sie sind einfach nicht mehr da. Tomuschat schreibt, dass Unternehmen habe die Verschwundenen als Aufrührer bezeichnet. Sie nannten uns alle Aufrührer und deswegen wurden wir verfolgt und in einigen Fällen zum Schweigen gebracht. Deshalb kann ich heute nicht erneut schweigen. Ich bin hierher gekommen, um den Tomuschat-Bericht zurück zu weisen. Ich bin hier her gekommen, um morgen in der Hauptversammlung zu fordern, dass alle Archive geöffnet werden, dass sie uns einen eigenen Bericht erstellen lassen. Den Vorstand der DaimlerChrysler AG werde ich morgen auch fragen, ob er bereit ist, an die Angehörigen der Verschwundenen und an die überlebenden Gefolterten Entschädigungen zu zahlen, und wie er sich zu der Schadenersatzklage stellt, die die Angehörigen der Verschwundenen und die Opfer der Repression in den USA gegen DaimlerChrysler am 14. Januar eingereicht haben, und die ich hier ausdrücklich unterstützen möchte. Ich werde Herrn Schrempp fragen, warum uns ehemaligen Beschäftigten
im Werk González Catán Hausverbot erteilt wurde, und ob
er bereit ist, uns den Zugang zu gestatten, damit wir mit dem heutigen
Betriebsrat über unsere schlimmen Erfahrungen sprechen können,
und damit wir eine Gedenktafel mit den Namen unserer verschwundenen Kollegen
anbringen können. |