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448 vom 15.3.2001
ak - analyse & kritik
Zeitung für linke Debatte und Praxis
Wochenlang streikte die Belegschaft des südkoreanischen Automobilherstellers Daewoo Motors. Die ArbeiterInnen protestierten gegen den geplanten Verkauf des Unternehmens an einen ausländischen Konzern und die damit verbundenen Massenentlassungen. Kürzlich ist die Produktion wieder aufgenommen worden, allerdings unter massiver Polizeipräsenz und unter heftigen Protesten. Doch damit ist der Konflikt noch nicht gelöst.
Schon seit langem wehrt sich die Gewerkschaft bei Daewoo Motors gegen geplante Entlassungen, aber so richtig in Rage gebracht hat sie ein Polizeieinsatz Ende Februar. 4000 Bereitschaftspolizisten stürmten in der Hafenstadt Inchon das Gelände des Pupyonger Werks von Daewoo Motors. Nachdem das Werk eingenommen war, schlugen die "Sicherheitskräfte" zahlreiche ArbeiterInnen brutal zusammen. 76 Gewerkschafter wurden festgenommen, sieben dem Haftrichter vorgeführt. 27 weitere werden per Haftbefehl gesucht, darunter der Vorsitzende der Daewoo-Motors-Betriebsgewerkschaft.
Ziel der Polizeiaktion war es, einen Sitzstreik von ca. 600 ArbeiterInnen und ihren Angehörigen aufzulösen, mit dem diese gegen die geplante Entlassung von 1700 MitarbeiterInnen protestierten. In den nachfolgenden Tagen antworteten ein Teil der betroffenen Daewoo-ArbeiterInnen mit Demonstrationen auf den Überfall, bei denen es wiederholt zu heftigen Zusammenstößen kam.
Der Streik trifft in der Bevölkerung auf viel Zustimmung: ZuschauerInnen buhen die Polizei für ihre brutalen Einsätze aus; die Presse hält sich anders als sonst mit Verurteilungen der Streikenden zurück und berichtet eher neutral. Nach drei Jahren Krise, Jobunsicherheit und drastischer Zunahme von Arbeitsintensität haben viele Verständnis für die verzweifelten Versuche der Daewoo-Motors-ArbeiterInnen, ihren Arbeitsplatz zu verteidigen.
Die Regierung des Präsidenten Kim Dae-jung, der einst als die große Hoffnung der demokratischen Kräfte angetreten ist, reagierte unnachgiebig und erklärte die Streiks für illegal. Sie will die Wirtschaft des Landes für ausländisches Kapital öffnen und ihre Struktur den Erfordernissen des Weltmarkts anpassen. Dazu ist ein radikaler Bruch mit dem koreanischen Entwicklungsmodell notwendig, den die Regierung seit ihrem Antritt betreibt und der zu den entsprechenden Spannungen in der Gesellschaft führt. Die südkoreanische Wirtschaft verdankt ihre einzigartige Erfolgsgeschichte einer spezifischen Mischung aus staatlicher Planung und dem Aufbau staatlich protegierter Konzerne, der so genannten Chaebols. Diese Chaebols werden als äußerst patriarchale Familienbetriebe geführt und sind in verschiedenen Wirtschaftszweigen tätig, von der Automobilindustrie über Werften bis hin zur Elektronikindustrie.
Spätestens ab Anfang der 90er Jahre wurden allerdings die Widersprüche offensichtlich, die dieses System für die weitere Entwicklung, auch nach Meinung linker Gewerkschafter, untauglich macht: Die von einzelnen, inzwischen schon fast greisen Patriarchen geleiteten Konglomerate sind extrem unbeweglich und ihre undurchschaubare Struktur lädt geradezu ein, Verluste über Jahre zu verstecken. Zusätzlich führte die personelle Verquickung von Industrie und Bankensektor dazu, dass bei Krediten oftmals nicht genügend auf die Sicherheiten geachtet wurde. Eine Folge davon ist die beachtliche Verschuldung der gesamten Wirtschaft, die ihr während der Krise 1997 um ein Haar die Kehle zugeschnürt hätte.
Streitpunkt zwischen Gewerkschaften und Regierung bleiben die Art und Weise, wie Kim Dae-jungs Regierung die Umstrukturierung betreibt, und nicht zuletzt die Entlassungen. Lange Zeit sind in der boomenden Industrie Südkoreas Massenentlassungen unbekannt gewesen. Gesetzliche Regelungen und patriarchale Strukturen haben sie zusätzlich erschwert. Wesentliches Anliegen der Industriellen-Verbände wie auch des Internationalen Währungsfonds ist es, im Rahmen der Krise diese Regelungen zu beseitigen, um so die alten Chaebols leichter umbauen und profitabler gestalten zu können.
In diesem Zusammenhang sind auch die jüngsten Auseinandersetzungen zu sehen. Der u.a. von der Regierung betriebene Verkauf von Daewoo Motors an einen ausländischen Konkurrenten reiht sich nahtlos in diese Umstrukturierung ein. Das Unternehmen war 1999 in den Sog des Niedergangs seiner Muttergesellschaft Daewoo geraten. Hoffnungslos überschuldet musste die einstige Nummer zwei der südkoreanischen Wirtschaft im Sommer 1999 Konkurs anmelden. Der Autoproduzent wurde ausgegliedert und sollte verkauft werden, um die Gläubiger-Banken zu entschädigen. Im Sommer letzten Jahres wurde das Verfahren eröffnet, im Juni gaben die Interessenten ihre Gebote ab. Zum Verkauf stehen Produktionskapazitäten für 1,1 Mio. Fahrzeuge jährlich und interessante Vertriebsnetze.
Doch ein südkoreanischer Käufer sollte es nicht sein. Hyundai Motors, die bereits rund 70% des Pkw-Inlandmarktes beherrscht und mit Daewoo ihren Anteil auf über 90% erhöhen wollte, erhielt von der Regierung und der staatlichen Monopolkommission bereits im Vorfeld eine Absage und schloss sich daher mit DaimlerChrysler und Mitsubishi zu einem Bieterkonsortium zusammen. Zu diesem Zweck ließ man sich auf einen Aktientausch mit dem deutschen Multi ein. Wenige Tage darauf, der Einstieg bei Hyundai war schon perfekt, drehte DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schremp den Koreanern eine Nase: Man sei vorrangig an einem Engagement bei Hyundai interessiert. Mit der Rückendeckung für die Übernahme von Daewoo war es folglich nicht weit her.
Das Feld war also frei für andere Mitbewerber, vor allem den Giganten General Motors (GM) aus den USA, der in Zusammenarbeit mit Fiat auftrat, und Ford. Letztere erhielten zunächst den Zuschlag für exklusive Gespräche, da sie mit knapp sieben Milliarden US-Dollar am meisten boten. Am 26. Juni waren die "Letters of intent" abgegeben worden und seitens des Gläubigerkonsortiums hoffte man, die Verhandlungen schnell abschließen zu können.
Doch daraus wurde nichts. Ford ließ sich Zeit und machte gar im November - die ArbeiterInnen mussten gerade mehrere Wochen auf ihren Lohn warten - überraschend einen Rückzieher. Wenige Tage sp"ter musste Konkurs angemeldet und Daewoo Motors unter Zwangsverwaltung gestellt werden. Die Gläubiger hatten sich geweigert, weiteren Kredit zu gewähren. Seit dem wird wieder mit General Motors und Fiat verhandelt, die offensichtlich massive Entlassungen zur Vorbedingung machen.
Damit erfüllen sich die Befürchtungen der Gewerkschaften, die diese das ganze vergangene Jahr immer wieder zu Proteststreiks und Demonstrationen gegen den geplanten Verkauf getrieben hatten. Im April beteiligte sich praktisch die gesamte südkoreanische Autoindustrie mit ihren rund 80.000 Beschäftigten an Solidaritätsaktionen und Warnstreiks.
Der Aufkauf eines inländischen Unternehmens ist für ausländische Anbieter nahezu die einzige Möglichkeit, auf dem südkoreanischen Markt Fuß zu fassen. Von den 1,2 Mio. Autos, die 1999 abgesetzt wurden, wurden nur 2400 importiert. Das Problem sind dabei weniger etwaige Zollmauern oder andere staatliche Barrieren, sondern die VerbraucherInnen. Während die Regierung ihr Möglichstes unternimmt, um den Markt zu öffnen, haben europäische oder amerikanische Marken schlicht ein Image-Problem der besonderen Art: Ausländische Autos zu fahren ist nicht nur unpatriotisch; in Zeiten, in denen viele den Gürtel enger schnallen müssen, gilt es vor allem auch als dekadent und ist mit einem regelrechten Stigma behaftet, wie eine Studie der Amerikanischen Handelskammer in Korea ergab.
Auf einem Markt, der schon jetzt zu den zehn größten der Welt gehört und demnächst auf zwei Millionen Fahrzeuge pro Jahr angewachsen sein könnte - wenn nicht die nächste Krise dazwischenfunkt -, ist das natürlich fatal. Ein weiteres wichtiges Argument für eine Präsenz in Südkorea ist für die Großen der Branche das Exportpotenzial in die Region: Ostasien wird vermutlich schon bald zum weltweit größten Absatzmarkt für Pkws werden.
Angesichts dessen verwundert die scheinbare Zurückhaltung, die von den internationalen Multis an den Tag gelegt wird. Die Vermutung liegt nahe, dass zunächst die Gewerkschaft gezähmt und angesichts der internationalen Flaute, die gerade von den USA ihren Ausgang nimmt, Produktionskapazitäten abgebaut werden sollen. Um beides ist man in Südkorea seitens der Zwangsverwalter und der Regierung redlich bemüht.
Um so mehr, als die Daewoo-Motors-Gewerkschaft Mitglied in der KCTU ist, jenem kämpferischen Gewerkschaftsdachverband, der aus den Kämpfen gegen die Militärdiktatur entstanden ist. Mit dem liegt auch die Regierung des Präsidenten Kim Dae-jung über Kreuz. Erst vor kurzem hat sie sich mit Unternehmern und der zahmen Gewerkschafts-Konkurrenz darauf geeinigt, dass die Frist, in der konkurrierende Gewerkschaften am Arbeitsplatz verboten bleiben, verlängert wird. Ein Schritt, der sich eindeutig gegen die KCTU richtet.
Bei der KCTU kämpft man allerdings auch mit anderen Schwierigkeiten. Im Zuge von Krise und Umstrukturierung hat die Zahl der Unterbeschäftigten und nur mit Zeitverträgen Arbeitenden erheblich zugenommen und beträgt inzwischen etwas über 50% der ArbeiterInnenschaft. Entsprechend gibt es Probleme, die ArbeiterInnen zu organisieren, und spitzen sich die Widersprüche zwischen Kernbelegschaften und ZeitarbeiterInnen zu.
Letzterer ist überwiegend auch ein Widerspruch zwischen den Arbeitsbedingungen für Männer und den Arbeitsbedingungen für Frauen, zwischen den besser bezahlten, gut organisierten männlichen Gewerkschaftern und den schlecht bezahlten Zeitarbeiterinnen. 80% der befristet Beschäftigten sind Frauen. In den von Männern dominierten Gewerkschaften finden sie meist keinen Platz, zum einen auf Grund der restriktiven Arbeitsgesetze, die Gewerkschaftsmitgliedschaft eng an einen Arbeitsplatz binden, zum anderen auf Grund der patriarchalen Strukturen und des mangelnden Problembewusstsein der meisten Funktionäre. Bei zu wenigen hat sich bisher die Erkenntnis durchgesetzt, dass die seit dem Ausbruch der Krise gängige Praxis, Angestellte zu entlassen und mit befristeten Verträgen für oftmals bloß 60% des bisherigen Gehalts wieder einzustellen, tendenziell alle ArbeiterInnen bedroht.
Erst Ende letzten Jahres war die Führung der Telecom-Gewerkschaft während eines Streiks den ZeitarbeiterInnen in den Rücken gefallen, die gegen Entlassungen gekämpft hatten. Auf der anderen Seite hat sich die derzeitige KCTU-Führung in wichtigen Auseinandersetzungen auf die Seite der ZeitarbeiterInnen gestellt. So konnte etwa im Sommer letzten Jahres nach wochenlangen harten Auseinandersetzungen ein bahnbrechender Erfolg gegen Lotte, eine der führenden Hotelketten des Landes, errungen werden, die die meisten Angestellten nun fest einstellen musste.
Der Kampf der Lotte-Angestellten - in ihrer Mehrzahl Frauen - war in mehrerer Hinsicht bemerkenswert: Zunächst wegen der Zähigkeit, mit der sie trotz massiver Polizeiübergriffe wochenlang aushielten, bis die Konzernleitung schließlich nachgeben musste. Zum anderen wegen der Konsequenz, mit der der Streik von der KCTU-Führung unterstützt wurde.
Viele Frauen ziehen es vor, sich unabhängig in Frauengewerkschaften zu organisieren. Bereits an den Anfängen der neueren koreanischen Gewerkschaftsbewegung, die in die 70er zurückgehen, standen erste Gründungen von Frauengewerkschaften, vor allem in der Textilindustrie. Nicht selten hatten diese mutigen Arbeiterinnen gegen drei Gegner gleichzeitig zu kämpfen: gegen die Militärdiktatur, gegen den Unternehmer und gegen die männlichen Vorarbeiter, die vom Unternehmen gegen sie aufgehetzt wurden.
Seit dem Ausbruch der Krise und dem Beginn der Umstrukturierung, deren Folgen Frauen überproportional treffen, besinnen sich viele wieder auf diese Traditionen. Anfang 1999 wurden innerhalb kurzer Zeit gleich drei verschiedene Frauengewerkschaften gegründet, von denen sich die einen mehr dem allgemeinen Kampf gegen Krisenfolgen und Globalisierung widmen, während die anderen sich konkret um die Organisierung in prekären Beschäftigungsverhältnissen bemühen.
Wegen seiner weit über die einzelnen Betriebe hinausreichenden Bedeutung könnte der jüngste Kampf der Daewoo- Motors-Arbeiter, der viel Unterstützung seitens der KCTU erfährt, dazu beitragen, die verschiedenen Sektoren der Gewerkschaftsbewegung wieder einander näher zu bringen.
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