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Mein Name ist Jochen Gester und ich bin Mitglied des Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall Berlin. Da ich an der Erarbeitung des sog. Berliner Papiers zur Zukunftsdebatte der Gewerkschaft beteiligt war, bat mich Mag Wompel das Papier hier vorzustellen.
Ausgangspunkt unseres Papiers war die Ankündigung des IG Metall-Vorstands zu einer neuen Zukunftsdebatte. Der Gesprächskreis "Politische Gewerkschaften", dem traditionell linke SozialwissenschaftlerInnen und aktive Mitglieder bzw. Funktionäre vor allem aus der IG Metall und den IG Medien angehören, griff dieses Thema Ende letzten Jahres auf, indem er Ingrid Kurz-Scherf als Referentin einlud: Fragestellung der Veranstaltung war: Wie ist das Ganze einzuschätzen und welche Chancen eröffnet eine solche Debatte für die Vorstellungen der Gewerkschaftslinken?
Ein Ergebnis der Veranstaltung war: eine begründete Hoffnung darauf, dass der IG Metall-Vorstand nun eine ernstgemeinte Debatte über gewerkschaftliche Fehlentwicklungen führen will, ist wenig begründet. Doch ein anderes Ergebnis gab es auch: wir wollten gemeinsam einen Selbstverständigungsprozeß versuchen, der der Beantwortung der Frage dient:
Was sind für uns unverzichtbare Eckpunkte einer gewerkschaftlichen Zukunftsdebatte?
Das Ergebnis dieses geplanten Selbstverständigungsprozesses ist das sog. Berliner Thesenpapier. Es ist für alle Interessierten im Labournet abzurufen oder auch in Papierform kostenlos hier erhältlich.
Ich möchte versuchen einige zentrale Ergebnisse dieses Papiers zu referieren:
Die strategischen Konsequenzen unseres Papiers sind 7 Thesen. Entlang der Kongreß-Themenstellung "Welche Gewerkschaften haben Zukunft?" können sie wiefolgt beantwortet werden:
Die Resonanz unseres Thesenpapiers in der IG Metall ist leider bescheiden. Ich habe keinen Überblick, was in anderen Orten in Sachen Zukunftsdebatte passiert. Was die Situation der IG Metall in Berlin betrifft findet eigentlich keine Zukunftsdebatte statt. In der VerwSt laufen die routinemäßigen Diskussionen, die nur jetzt ab und zu das Label Zukunftsdebatte bekommen. Es gibt Veranstaltungen der Bezirksleitung, die nur einen kleinen ausgewählten Kreis haben. Niemand weiß, was mit dem Fragebogen passiert, den man in der "metall" beantworten konnte. Abgesehen davon waren die Fragen dort nicht wirklich offen. Es standen nur menu-Entscheidungen zur Wahl, nach dem Motto "Lieber ein bißchen mehr davon oder davon".
Ich habe den Eindruck, dass sich das Ganze nicht nach dem klassischen Erklärungsmuster "unwillige Führung" beantworten läßt. Ein Teil der Führung will natürlich nicht. Doch auch die linken Aktiven auf VerwSt oder betr. Ebene scheinen dafür keine Luft zu haben. Bekanntlich ist der Kreis der Bewegten klein und die handeln nach dem Strickmuster "Die drückendsten Probleme zuerst". Die normalen Mitglieder scheinen sich zumeist eh davon verabschiedet zu haben, dass sie was Grundsätzliches zu entscheiden haben.
Ich glaube, dass das unsere Thesen keine schlechte Standortbestimmung sind. Das war die Mühe wert. Doch hat unsere Debatte auch klar gemacht, wie schwer es ist, ein politisches Projekt "Vernetzte Gewerkschaftslinke" auf die Beine zu stellen.
Der ursprüngliche Kreis aller KollegInnen, die sich an dieser Form der Zukunftsdebatte beteiligen wollten, ist am Schluß auf einen kleinen Kreis symbolanalytisch geschulter Linker, der sog. Akademiker, geschrumpft. Es zeigte sich: Viele betriebliche oder politische Funktionäre haben einfach keine Luft bzw. wenig Hoffnung, um sich an so einer Debatte zu beteiligen.
Und sogar diejenigen betrieblich Aktiven, die am Anfang dabei waren, haben irgendwann mit den Füßen abgestimmt, da sie den praktischen Sinn des zu erstellenden Papiers nicht mehr gesehen haben. Ihre betrieblichen Zwänge folgten einer anderen Themenfolge und Zeitrechnung. Dies berührt ein Kernproblem des Vernetzungsprojekts:
Wie lassen sich die Bedürfnisse der soziale Bewegten, die heute ganz unterschiedlichen Zwängen und Lebenslagen unterliegen, so miteinander vereinbaren, dass eine gemeinsame Kooperation, von der alle profitieren, auf Dauer funktionieren kann? Das erfordert eine Menge Lernbereitschaft, z.B. die Wahrnehmung und Respektierung der anderen als soziale Individuen und den Bruch mit schlechten Traditionen.
Die Brisanz dieses Problems dokumentiert sich für uns sowohl an der Frage, ob und wie die Weiterarbeit des Gesprächskreises "Politische Gewerkschaften" vorstellbar ist als auch an der Frage, ob das bundesweite Projekt bei uns in Berlin einen festen Anker bekommt.
Positiv ist es auf jeden Fall für uns, dass wir hier das Angebot bekommen haben unsere Thesen vorzustellen, nachdem es bereits im labournet zu lesen war und auch der express die strategischen Schlußfolgerungen abgedruckt hat.
Am nächsten Wochenende werden wir die Thesen in einem workshop auf dem attac-Kongreß in Berlin vorstellen. Ansonsten gibt es eine lokale Zukunftsdebatte vor allem durch unseren Internationalismus-AK. Wir haben dazu am 1.Mai ein Faltblatt verteilt. Danach gab es eine Veranstaltung von uns über gewerkschaftliche Antworten auf die Globalisierung in der Automobilindustrie. Nächste Woche machen wir eine zum Thema "Gewerkschaften und soziale Bewegungen Stiefschwestern oder strategische Allianz".
Als Gäste diskutieren mit uns Alejandro Bendana, einer der Köpfe der Süd-NGOs, Peter Wahl von Weed/attac und Horst Schmitthenner vom Vorstand der IG Metall.
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace |
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