Keine Ergebnisabhängigkeit in Tarifverträgen!
Nach dem Ersten Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, hat sich jetzt
der Stuttgarter Bezirksleiter Berthold Huber in einem Interview der
Frankfurter Rundschau vom 12. 11. 01. für einen zweistufigen
Tarifvertrag ausgesprochen. So soll in der Fläche nur noch eine
Mindesterhöhung gelten, eine zweite Komponente soll betrieblich ausgehandelt
und von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht werden.
Dies begreifen wir als eine totale Kehrtwende in der Tarifpolitik der IG
Metall. Noch in der letzten Tarifrunde hat sich der für Tariffragen
zuständige Zweite Vorsitzende, der Kollege Peters, entschieden gegen dieses
Modell ausgesprochen, das die Unternehmer seit Jahren durchsetzen wollen.
Wir sind schockiert darüber, dass jetzt aus unseren eigenen Reihen ein
Vorstoß kommt, der den Flächentarif aushöhlt und insgesamt unsere
Durchsetzungskraft nachhaltig beschädigt. Wir lehnen dieses Vorhaben ab,
- weil der Tarifabschluss sich auf diese Weise immer mehr an den
schwächsten Belegschaften orientiert, die - aus welchen Gründen auch
immer - nur zu geringen oder zu keinen Kampfmaßnahmen in der Lage
sind;
- weil die Belegschaften der Großbetriebe, die normalerweise der
wichtigste Motor jeder Tarifbewegung sind, kein großes Engagement mehr
für den Abschluss in der Fläche entwickeln werden; sie werden dann ihre
Hauptkraft in den Abschluss der zweiten Stufe (betriebliche Komponente)
lenken; so nimmt die Tendenz zur Verbetrieblichung der Tarifpolitik
zu;
- weil auf diese Weise die Kluft zwischen den gut verdienenden
Belegschaften und den weniger gut verdienenden noch größer wird. Letztere
haben keine Chance mehr, mitgezogen zu werden;
- weil auf diese Weise die Interessenlage zwischen den einzelnen
Belegschaften noch weiter auseinander geht und es damit immer schwieriger
wird, eine gemeinsame Abwehrfront gegen die Unverschämtheiten aus dem
Unternehmerlager aufzubauen.
- weil damit auch das Aufstellen von Festgeldforderungen schwieriger
wird, dem einzigen Instrument, mit dem der zunehmenden Differenzierung
der Löhne entgegengewirkt werden kann;
- weil selbst für die Belegschaften in den Großbetrieben dies auf Dauer
keine Perspektive sein kann, denn ihnen werden sehr schnell von den
Geschäftsleitungen die mageren Mindesterhöhungen in der Fläche
vorgehalten werden;
- weil Verhandlungen über eine ertragsabhängige Komponente immer nur mit
den Zahlen geführt werden können, die die Unternehmerseite uns vorlegt.
Kollege Hubers Forderung, im Zweifelsfall die Geschäftsbücher auf den
Tisch zu legen, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zwar wäre eine
solche Offenlegung mehr als wünschenswert, ist aber unter den heutigen
Bedingungen vollkommen unrealistisch. Wir kennen keinen
Wirtschaftsausschuss, dem es je gelungen ist, einen wirklichen Einblick
in die Geschäftsbücher zu erlangen. Wir wissen vielmehr, dass die
Unternehmer heute jede Möglichkeit der Manipulation haben, so lange wir
nicht den Inhalt der Bücher selbst überprüfen können. Wir wissen auch,
dass so etwas konzernweit geschehen müsste, denn zu oft werden Gewinne
zwischen den Betrieben verschoben (durch interne Verrechnungspreise
usw.). Eine wirkliche Offenlegung der Bücher ist unter den heutigen
Bedingungen illusorisch. Diese begleitende Forderung kaschiert nur, dass
wir bei der Bewertung der wirtschaftlichen Daten auf das angewiesen sind,
was die Unternehmerseite uns vorlegt bzw. anbietet.
Wir protestieren, weil wir nachhaltige Auswirkungen auf die Kampfkraft
unsrer Organisation befürchten. Nur wenn möglichst viele Kolleginnen und
Kollegen in eine Tarifrunde eingebunden sind, nur wenn alle das Gefühl haben,
am selben Strang zu ziehen und wenn sie spüren, dass das gemeinsame
Engagement die besten Ergebnisse bringt, nur dann wird es uns gelingen, die
volle Kraft der Organisation in die Waagschale zu werfen und so wieder aus
der Defensive herauszukommen.
Wir erwarten vom Vorstand klärende Worte und hoffen, dass der Vorstoß vom
12. November ein unbedachter Ausrutscher war und keine Ankündigung ist, den
Flächentarif schrittweise aufzugeben.
Betriebsrat der FEM Elektromotoren GmbH
Home | LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
Der virtuelle Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken
The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace
|
| Datei: |
|
Datum: |
|