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Ingrid Kurz-Scherf/Bodo Zeuner:

Politische Perspektiven der Gewerkschaften zwischen Opposition und Kooperation. Für eine neue Debatte über alte Grundwerte

In: Gewerkschaftliche Monatshefte, 3/2001, S.147 ff.
http://www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/grundwerte.html

 

Zusammenfassung

  1. Die Position der deutschen Gewerkschaften schwankt zwischen der Verteidigung der Errungenschaften der Vergangenheit und der Mitwirkung an einer umfassenden Restrukturierung der modernen Gesellschaften. Das sei "Ausdruck des strukturellen Problems der Gewerkschaften als einer Vermittlungsagentur unterschiedlicher und widersprüchlicher Interessen." (147)
  2. Möglich ist ein weitreichender Bedeutungsverlust von Gewerkschaften, sowohl als `Gegenmacht` wie auch als `Ordnungsfaktor`. Mitgliederschwund ist eines der Hauptprobleme. Rückgang der Facharbeiterschaft, Arbeitslosigkeit, Nachwuchsmangel werden u.a. als Gründe genannt, aber auch der Mangel an Antworten auf die aktuellen Herausforderungen und : "verstaubte Rituale, verkrustete Strukturen und vor allem eine autoritäre Kultur männlicher Dominanz und Ignoranz"(151), eine "manchmal einfach nur dreiste Tumbheit der Gewerkschaftsapparate, die kontrollieren wollen, wo die Menschen Kontrolle weder wollen noch brauchen, und die steuern und befehlen wollen, wo sie erst einmal selber zuhören müssten" (154). Weiterhin trägt die Entwertung der Branchen- und Flächentarifverträge und damit verbunden die Verbetrieblichung oder besser `Verbetriebsrätlichung` des kollektiven Vertragswesens zum gewerkschaftlichen Bedeutungsverlust bei.
  3. An dieser Entwicklung sind die Gewerkschaften in vieler Hinsicht selber schuld. Das wird oft zu wenig erkannt. Folglich wird auch die Chance zur Überwindung der gegenwärtigen Krise unterschätzt. Es gibt nämlich auch Zeichen einer Wiederbelebung der Gewerkschaften als Bewegungen, z.B. in den USA und Großbritannien.
  4. "Wenn es den Gewerkschaften gelänge, in Kooperation mit anderen sozialen Kräften und Bewegungen eine wirksame soziale Opposition gegen den neuen Turbokapitalismus auf inter- und transnationaler Ebene aufzubauen, würde dies ihre Attraktivität ... vielleicht verbessern." (154) Gegenüber dem sogenannten Neoliberalismus befinden sich die Gewerkschaften zwar in der Defensive. Doch dieser wird vorrangig als nur äußere Bedrohung thematisiert und nicht auch als interner Konflikt in den Gewerkschaften.
  5. Solidarität als elementarer Grundwert ist das Gegenteil von Markt- und Konkurrenzverhalten. Ausweitung des Kreises, für den man und frau einsteht, inklusive Solidarität, ist auch heute noch ein möglicher Weg für GewerkschafterInnen. "Angesichts der Internationalisierung der Produktion und der Konkurrenz muss sich die von den Gewerkschaften organisierte Solidarität ebenfalls internationalisieren." (156) Sie "haben die Chance, zu Organisationen der Solidarität aller auf abhängige Arbeit angewiesenen Menschen zu werden." Das "erfordert ... organisatorische Phantasie, Experimentierfreude und auch Bescheidenheit und Bündnisfähigkeit, etwa mit Arbeitslosengruppen, ohne Alleinvertretungsanspruch und Belehrungsansprüche. Gewerkschaften, die inklusive Solidarität anstreben, müssen selber wieder mehr zu ´sozialen Bewegungen` werden." (157)
  6. Die Selbstvergewisserung über die eigenen Ziele und Grundwerte ist unerlässlich. "Freiheit, Gleichheit, Solidarität sind nicht nur ´idealistische` Werte oder Ideale, sondern es gibt auch ein materielles Interesse an diesen Werten und Idealen. Und es spricht einiges dafür, dass der gesellschaftliche Tatbestand Arbeit, die Angewiesenheit jedes einzelnen Menschen auf die Tätigkeit von anderen und das Bedürfnis der meisten Menschen nach Tätigkeit für und mit anderen, die materielle Grundlage einer gleichermaßen egalitären wie freiheitlichen und solidarischen Moral ist oder zumindest sein kann, die sich eben nicht nur in allgemein geteilten Werten, sondern auch in kollektiven Interessen realisiert.

Der Interessenstandpunkt von Gewerkschaften könnte ihnen damit gerade auch zu dem verhelfen, was ihnen gemeinhin am wenigsten zugetraut wird, nämlich zu moralischer und ethischer Kompetenz - so sie dies denn überhaupt ernsthaft anstreben." (159)


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