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Diese Thesen sind ein Beitrag für die wieder in Gang gekommen Diskussion in der Gewerkschaftslinken. Wir haben versucht, Anknüpfungspunkte und Bruchstellen für einen Perspektivenwechsel gewerkschaftlicher Politik herauszuarbeiten. Es ging uns nicht darum, ein "fertiges" Programm aufs Papier zu bringen, sondern ausgehend von dem Diskussionsstand so wie wir ihn wahrnehmen auch innerlinke Kontroversen festzumachen. Die Auseinandersetzung um diese strittigen Punkte sowie der Versuch, trotz Differenzen in wichtigen Fragen gemeinsam handlungsfähig zu werden, könnten uns einer einflußreicheren Gewerkschaftslinken näherbringen. Das ist zumindestens unsere Hoffnung.
Unsere Thesen sind vor dem Hintergrund der wachsende Ohnmacht der Gewerkschaften und der politischen Linken zu lesen. Außerdem spielen die Veränderungen in Europa eine große Rolle bei unseren Überlegungen.
In den meisten europäischen Staaten die bürgerlichen Regierung durch sozialdemokratisch geführte oder geprägte Koalitionen abgelöst. New labour steht trotz aller nationalen Unterschiede aber für eine politische Konzeption, die an dem neoliberalen Politikmodell anknüpft.
Bei der Kapitulation der Politik vor der Ökonomie und der Logik der Marktes ist es nicht geblieben. Alle sozialdemokratisch geführten Regierungen und Linkskoalitionen haben sich mit den Luftangriffen auf Jugoslawien auch der Logik des Krieges und der NATO-Doktrin unterworfen und schlimmer noch, diese Logik zu ihrer eigenen Sache gemacht.
Mit den Bomben über Belgrad, mit dem Bruch des Völkerrechts und dem Verstoß gegen das Grundgesetz ist in der Außen- und Militärpolitik das Ende der Nachkriegsordnung vollzogen. Die Duldung des NATO-Angriffskrieges durch den DGB und einiger Einzelgewerkschaften haben den Widerstand gegen eine Militarisierung der Außenpolitik geschwächt. Wir begrüßen, daß einige Einzelgewerkschaften und Gliederungen des DGB(wenn auch z.T. etwas spät) wie die IGM, hbv und IG-Medien sich kritisch gegen den Angriffskrieg positioniert haben.. Wir befürchten jedoch, daß die neoliberale Form der Globalisierung die soziale Polarisierung und Ausgrenzung ganzer Regionen und Länder verschärft und damit die Gefahr weiterer Kriege heraufbeschwört. Die Gewerkschaften müssen verlässliche Kraft gegen Krieg und Militarisierung werden. Dazu gehört auch der Aufbau von internationaler Solidarität, die sich gegen soziale Ausgrenzung und Polarisierung wendet.
Einem irgendwie gearteten nationalen Konsens, für die Priorität der Kriegskosten und der Kriegsfolgekosten (z.B. im Rahmen des Sparpaketes) müssen die Gewerkschaften eine klare Absage erteilen. Vielmehr müssen die Gewerkschaften zivile Alternativen entwickeln, wie es im Grundsatzprogramm formuliert wurde. Die von der NATO und ihren Mitgliedsländern propagierte "neue Weltordnung" gefährdet den Frieden und wird eine neue Aufrüstungsspirale einleiten.
Daher gehört auch die Wiederbelebung der Konversionsdebatte, als Gegenposition zur weiteren Umrüstung der Bundeswehr zu einer interventionsfähigen Armee, zu unseren Anliegen.
Zu untersuchen ist die Frage, welche positive Rolle Institutionen wie die UNO oder die OSZE spielen könnten und im welchem Umfang diese Organisationen selber in die "neue Weltordnung" integriert sind.
Nicht erst seit dem Rücktritt von Lafontaine, der Veröffentlichung des Jahreswirtschaftsberichtes von Wirtschaftsminister Müller, dem Sparpaket von Finanzminister Eichel, den Rentenplänen von Arbeitsminister Riester wurden die wirtschafts- und sozialpolitischen Konturen der SPD/Grünen-Regierung deutlich. Viele Hoffnungen auf ein rot/grünes Reformprojekt sind schon sehr schnell enttäuscht worden. Auch der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte kritisiert neuerdings die einseitige Belastung der Arbeitnehmer, Arbeitslosen und Rentner durch die rot-grüne Regierungspolitik, ohne aber die Loyalität zur Bundesregierung und zum Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit in Frage zu stellen.
Nach einigen begrüßenswerten Korrekturen im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts, die einige Verschlechterungen der Regierung Kohl rückgängig machten, erleben wir nunmehr in materieller Hinsicht eine Fortsetzung der neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Hinsichtlich des Umfangs der Sparpolitik und der Härte der strukturellen Eingriffe in das Sozialversicherungssystem geht die neue Regierung sogar über die Angriffe der konservativen Regierung hinaus.
Im Unterschied zur Strategie der konservativen Regierung deren Politikstil in wichtigen Etappen konfrontativ ausgerichtet war - ist die Politik von rot-grün mit einer Vielzahl von Moderations- und Integrationsangeboten verbunden, deren Kern das Bündnis für Arbeit- und Wettbewerbsfähigkeit werden soll. Rot-grün erscheint daher über die neuen politischen Regulierungsbemühungen als der effektivere Vollstrecker des neoliberalen Projekts in der Bundesrepublik.
Das Blair/Schroeder-Papier, liefert den "theoretischen" Hintergrund für die endgültige Entsorgung klassischer wohlfahrtsstaatlicher sozialdemokratischer Positionen. Hier wird in deutlicher Form Abschied von einer keynsianistisch geprägten Nachfragepolitik genommen und eine "linke" Angebotspolitik formuliert, die eine klare Hinwendung zum Wettbewerbsstaat bedeutet ("Wettbewerb auf den Produktmärkten und offener Handel sind von wesentlicher Bedeutung für die Stimulierung von Produktivität und Wachstum. Aus diesem Grund sind Rahmenbedingungen, unter denen ein einwandfreies Spiel der Marktkräfte möglich ist, entscheidend für wirtschaftlichen Erfolg und für eine erfolgreichere Beschäftigungspolitik" aus dem Blair Schröder-Papier).
Mittlerweile wird das Papier auch von Teilen der SPD kritisiert, wobei sich die Kritik meistens auf die gegen die eigene Partei gerichtete Rhetorik der Schröder/Blair-Thesen und einzelne Aspekte des Sparprogramms konzentriert.
Die steuerliche Entlastung des Kapitals, die Beschwörung einer neuen Gründerwelle von Unternehmen (was mehr an einen Kapitalismus des 19. JH als an den hoch konzentrierten Kapitalismus zum Ausgang des 20. JH erinnert), der Abbau von staatlichen Abgaben und der Umbau der Sozialsysteme stehen dabei im Vordergrund der Thesen der beiden Regierungschefs. Der Umbau der Sozialsysteme (workfare) ist eine der gefährlichsten Aspekte dieses Vorstoßes, weil er an rechtspopulistische Vorurteile in der Diktion der "sozialen Hängematte" anknüpft. Hier wird für eine rigorose Arbeitsethik geworben, die schroff gegen sozialstaatliche Garantien, tarifliche und demokratische Standards gerichtet ist.
("Ein Sozialsystem, das die Fähigkeit Arbeit zu finden, behindert, muß reformiert werden. Moderne Sozialdemokraten wollen das Sicherheitsnetz aus Ansprüchen in ein Sprungbrett in die Eigenverwantwortung umwandeln" aus dem Blair/Schroeder-Papier).
Hinter dem Begriff der "neuen Mitte" verbirgt sich der hegemoniale Anspruch dieses Politikkonzepts. Auf der Gewinnerseite sollen nicht nur Unternehmer und vermögende Haushalte sein. Auch Teile der Facharbeiter- und Fachangestelltenschaft werden mit geringeren Sozialabgaben durch eine Absenkung der Sozialstaatsquote umworben. Wenn diese Bündniskonstellation greift und nicht an ihren inneren Widersprüchen zerbricht, ist die Basis für eine solidarische Gesellschaftspolitik durch die Verfestigung einer 3/5-Gesellschaft auf lange Sicht zerstört.
Das von Teilen der Gewerkschaften geforderte inzwischen zum Kern der Regierungspolitik erklärte Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit scheint zu einer institutionalisierten nationalen Standort- und Wettbewerbskoalition zu werden, in der die Gewerkschaften in einem hohen Maße eingebunden werden. Die Unabhängigkeit der Gewerkschaften von der Bundesregierung und den beiden Regierungsparteien sowie die Grundlage einer eigenständigen gewerkschaftlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik stehen damit zur Disposition.
Die Integration der Gewerkschaften in das Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit wird offensichtlich zu einer weiteren Niederlage der Gewerkschaften führen und wird ihre politische Krise nur noch mehr verschärfen.
Außerdem wirft das Bündnis in doppeltem Sinne die Frage der demokratischen Legitimation auf:
Zum einen höhlen die ständischen Strukturen des Bündnisses - gruppiert um die weltmarkt- und exportnahen Teile von Arbeit & Kapital - die normalen demokratischen Standards einer parlamentarischen Demokratie aus.
Zum anderen werden demokratische Abstimmungsprozesse in den Basisorganisationen bei den Gewerkschaften noch viel stärker als in der Vergangenheit an den Rand gedrängt.
Zum Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit gibt es innerhalb der Gewerkschaftslinken noch keine vereinheitlichte Bewertung und Handlungsoption.
Das Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit ist so angelegt, daß die Gewerkschaften keinen Blumentopf gewinnen können. "Resultate" sind nur durch Konzessionen in der Lohnpolitik und bei der Mitwirkung beim forcierten Ausbau des Niedriglohnsektors und der Senkung der Sozialquote möglich. Eine Festlegung des Kapitals auf die verbindliche Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen wird es nicht geben. Außer "Umverteilung in der Klasse" und nachhaltiger Legitimation einer unsolidarischen Politik ist nichts drin. Die Gewerkschaften werden weiter an Glaubwürdigkeit verlieren und tragen zur Integration ihrer Mitglieder in eine wettbewerbskorporatistische Politik bei.
Internationale Perspektiven gegen die Standortkonkurrenz werden verbaut. Deshalb müssen die Gewerkschaften sich dem Bündnis und seinem politischem Programm verweigern. Der Ausstieg aus dem Bündnis wäre nicht gleichbedeutend mit einem Verzicht auf eine eigene gewerkschaftliche Reformkonzeption, die naturgemäß Zwischenschritte und Kompromisse einschließt. Im Unterschied zum Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit würden die Gewerkschaften und ihre Bündnispartnerinnen für eigene Anliegen werben und mobilisieren und entsprechend den Kräfteverhältnissen Arrangements mit Regierung und Kapital eingehen.
Sicherlich wäre es ungenau, die neue Regierungspolitik einfach als Fortsetzung der konservativ-liberaler Politik zu beschreiben. Diese Variante ist aus den unterschiedlichsten Gründen gescheitert und abgewählt worden.
"Die neue Mitte" steht für den Versuch, eine neue Form der politischen Regulierung bei der Durchsetzung des neoliberalen Programms gesellschaftlich durchzusetzen.
Die Einbeziehung der Gewerkschaften in eine nationale institutionalisierte Standortkoalition, in dessen Mittelpunkt das Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit steht, ist bislang auch nur der Versuch, einen neuen gesellschaftlichen Konsens zu finden.
Strittig ist innerhalb der Gewerkschaftslinken, ob dieses neue Modell von politischer Regulierung und Konsensbildung auch für eine alternatives und linkes Projekt nutzbar zu machen ist. Der Hinweis, daß es sich um den Versuch handelt, einen neuen Typus von Regulation im Kapitalismus durchzusetzen, ist zweifellos korrekt und trägt zur analytischen Präzision bei. Die Differenz scheint uns daher auf einer anderen Ebene zu liegen:
Wenn es beim Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit einen inneren Zusammenhang von seiner Form und seinem konkreten sozialen und ökonomischen Programm geben sollte, läßt sich daraus keine positive taktische Bezugnahme auf das Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit ableiten.
Diese Differenz muß auf unserer Tagung in Stuttgart weiter diskutiert und bearbeitet weil sie gravierende praktische und tagespolitische Konsequenzen bei der Entwicklung gemeinsamer Handlungsoptionen hat.
Keine Differenzen bei der Auseinandersetzung um das Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit gibt es darin, daß ein weiteres Auseinanderdriften sozialer Lebensverhältnisse und eine Lähmung der Gewerkschaftsbewegung verhindert werden muß. Das beinhaltet:
Die offene Frage ist, ob aus solchen Maßstäben die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden, wenn das Bündnis für Arbeit seinen Charakter behält.
Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die zahlreichen betrieblichen Bündnisse, in denen Zugeständnisse, meist zu Lasten der neu eingestellten bzw. einzustellenden Kollegen/innen gemacht wurden und werden, ebenfalls Wegbereiter für eine korporatistische Politik sind. Eine konfliktorientierte Gewerkschaftspolitik, die die Interessen aller Lohnabhängigen und die Interessen der Transfereinkommenbezieher berücksichtigt, wird durch die Verallgemeinerung der betrieblichen "Bündnisse für Arbeit" in einem hohen Maße beeinträchtigt. Ein bundesweites Bündnis für Arbeit würde mit hoher Wahrscheinlichkeit die Schleusen für solche betrieblichen Bündnisse weiter öffnen und tarifliche Standards weiter aushöhlen.
Neoliberalismus ist keine vorübergehende Erscheinung zur Wiederherstellung von Wirtschaftswachstum; er ist die dauerhafte Umverteilung von Geld und Macht. Damit läßt er keine Spielräume für Sozialpartnerschaft, es sei denn, Gewerkschaften helfen ihm bei der Durchsetzung seiner Ziele. Deshalb müssen die Gewerkschaften auch der SPD/Grünen-Regierung als autonome Kraft gegenübertreten. Die Chance, nach der Ablösung der Kohl Regierung, das gesellschaftliche Kräfteverhältnis zu verändern liegt in erster Linie im Aufbau von Gegenmacht. Der Instrumentalisierung des Staates für die Interessen des Kapitals muß durch außerparlamentarische Mobilisierung im Bündnis mit anderen sozialen Gruppen und Trägern fortschrittlicher Politik, auf nationaler wie internationaler Ebene entgegengetreten werden.
Bei dieser Orientierung, die in einem gewissen Sinne den common sense der linkeren Gewerkschaftsteile beschreibt, gibt es eine argumentative Schwäche: Bei aller Betonung der "autonomen Gegenmacht", geht es auch immer wieder darum, den "Staat" für eigene Anliegen in Dienst zu b nehmen. Wenn die These der nachhaltigen Transformation des Wohlfahrtsstaates in den nationalen Wettbewerbsstaat richtig ist, braucht es zu dieser anderen Indienstnahme aber einer Reihe von Vermittlungsschritten, die regelmäßig nicht näher erläutert werden. An diesem Punkt und an der Frage, was denn die Voraussetzungen für ein Konzept "autonomer Gegenmacht" sind, besteht Diskussions- und Klärungsbedarf.
Die Repolitisierung der Gewerkschaftsarbeit und die Politisierung der Aktionen, Kampagnen und Streiks ist erforderlich. Die Mobilisierung für ein Programm zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und einer gerechteren Reichtumsverteilung wäre ein geeigneter Schritt, um aus der Defensive herauszukommen. Die internationale Ausrichtung einer solchen Mobilisierung würde breite Bündnisse mit den Gewerkschaften anderer Länder und anderen sozialen Initiativen (z.B. den Euromärschen) ermöglichen. Anstatt auf einen Konsens mit den Arbeitgeberverbänden und der Regierung zu hoffen, müssen die Gewerkschaften das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen und so die Bedingungen ihrer Durchsetzungsfähigkeit verbessern.
Dies ist ein ehrgeiziges Programm, bei dem als einer der ersten Schritte geklärt werden muß, wo die Anknüpfungspunkte in der politischen Praxis liegen und welche Hindernisse auch bei der Gewerkschaftslinken aus dem Weg geräumt werden müssen, um zu einer breiteren gesellschaftlichen Allianz auch mit den ausgegrenzten Teilen der Gesellschaft zu kommen. Hier ist die Frage nach der sozialpolitischen Kompetenz und dem sozialpolitischen Mandat der Gewerkschaftslinken aufzuwerfen, die bislang nicht in der Lage war, SozialhilfeempfängerInnen, große Teile der MigrantInnen und Flüchtlinge in ihren politischen Entwürfen über bloße Absichtserklärungen hinaus zu berücksichtigen.
Ein Ausweg aus tiefen politischen und organisatorischen Krise der Gewerkschaften ist u.a. nur möglich, wenn ein grundlegender politischer Perspektivenwechsel diskutiert wird, der mit dem radikalen Bruch mit der neoliberalen Politik und ihrer Prämissen beginnen muß. Es gilt die dahinter stehenden Mythen zurückzuweisen und aufklärerischem Denken mehr Raum zu verschaffen. Dazu gehört auch die grundsätzliche Kritik an der Politik der neuen Mitte und die Wiedererlangung einer eigenständigen kritischen Position gegenüber der neuen Regierung. Der Integration in eine wettbewerbskorporatistische Politik muß eine Absage erteilt werden.
Ein grundlegender Perspektivenwechsel muß weiterhin ein europäisch/internationales Politikverständnis entwickeln, das sich außerhalb der nationalstaatlichen Standortlogik bewegt. Nationale Konzessionspolitik, die den Unternehmern Vorteile im internationalen Konkurrenzkampf ermöglichen soll, führt zu Sozialdumping, Nationalismus und letztlich zur Unfähigkeit, sich dem Diktat der Unternehmer zu verweigern.
Unter den veränderten Bedingungen sich internationalisierender Märkte und Produktionsstrukturen erfordert eine nachhaltige Bewahrung bzw. Verbesserung von Kampfkraft eine grenzüberschreitende Koordination gewerkschaftlicher Politik auf Konzernebene, entlang logistischer Produktionsketten und auch auf der Ebene der Tarifpolitik. Nur so kann die gewerkschaftliche Grundfunktion, die Verminderung der Konkurrenz unter den Anbietern der Ware Arbeitskraft, erfolgversprechend wahrgenommen und eine Angleichung der Standards als Entwicklung nach oben statt nach unten eingeleitet werden.
Die internationale Zusammenarbeit und Solidarität der Arbeiterbewegung ist darüber hinaus der einzige Weg, um für Humanität und Gleichberechtigung unter den Völkern zu kämpfen, in einer Zeit, in der die Mächtigen dieser Welt diese Werte zu Propagandafloskeln degradieren und ihre internationalen Institutionen wie die UNO zur Wirkungslosigkeit verdammen.
Es ist gleichwohl festzustellen, daß wir uns in der Praxis unseren Vorstellungen einer internationalen oder auch nur europäischen Gewerkschaftspolitik noch nicht weit angenähert haben. Die internationale Arbeit der Gewerkschaftsorganisationen ist auf einem dürftigen Niveau und bietet kaum Anknüpfungspunkte für eine europäische bzw. internationalistische Praxis von interessierten Kollegen/innen. Bis auf einige Durchbrechungen agieren die bundesdeutschen Gewerkschaften ebenso wie ihre europäischen Schwesterorganisationen in der Logik nationaler Standortinteressen und eigener Politiktraditionen..
Europäische Gewerkschaftspolitik scheint wie eine gelegentliche Verabredung zu gemeinsamer Lobbyarbeit gegenüber dem EU-Kommission und dem Ministerrat.
Einige autonome Basiskontakte zwischen deutschen und ausländischen Kollegen/innen in Europa und Übersee können diesen Mangel nicht beheben, so wichtig und wertvoll sie auch sind. Neben mehr Informationsaustausch (auch unabhängig vom Gewerkschaftsapparat) sind inhaltliche Diskussionen zwischen Gewerkschaftslinken in Frankreich, Italien, usw. notwendig. Es ist auch eine Aufgabe für die Gewerkschaftslinke, diesen Austausch zu organisieren.
Einen Schub für eine internationalistische Praxis kann es geben, wenn z.B. in internationalen Konzernen gemeinsame Projekte bearbeitet werden. Auch regionale Projekte, wie im Dreiländereck BRD, Niederlande Belgien oder im französisch-deutschen Grenzgebiet können sich lohnen. Es braucht praktischer Projekte und gemeinsamer Erfolgserlebnisse, um eine internationalistische Orientierung gegen die Standortkonkurrenz zu verankern. In diesem Zusammenhang bekommt unserer Verhältnis zum Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit eine besondere Bedeutung. Die europäische Gewerkschaftskooperation wird durch solche nationalen Wettbewerbsallianzen ad absurdum geführt.
Die soziale Polarisierung zwischen Armut, selbst in der Arbeit und wachsendem Reichtum der Besitzenden darf nicht länger tabuisiert werden. Die Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums zugunsten der Gewinne und Vermögen verschärft die strukturelle Überakkumulationskrise des Kapitals, lenkt die überschüssigen Gewinne in die internationale Finanzspekulation, entzieht dem Staat die notwendigen Mittel und stranguliert auf diese Wege die Sozialsysteme, zwingt zu Deregulierung und Privatisierung in großem Stil. Ohne Rückumverteilung von Reichtum und Vermögen wird es weder eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit noch den Erhalt oder gar Ausbau der Sozialsysteme geben.
Zur Frage der Umverteilung gehört die politische Regulierung der internationalen Finanzmärkte, die in gewaltigem Maße zur Umverteilung zugunsten der Vermögensbesitzer und Reichen beitragen, darüber hinaus den Spielraum für eine solidarische Wirtschafts- und Finanzpolitik einschränken.
Bei der Weiterentwicklung dieser eher allgemeinen Überlegungen, müssen zwei Fragen noch näher untersucht werden:
Nach einer kurzen Phase unter Lafontaine, in der das Kindergeld erhöht und die unteren Einkommen steuerlich etwas entlastet wurden, sollen nunmehr die Unternehmen steuerlich entlastet und nur noch innerhalb einer Klasse (die der Lohnabhängigen, Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Rentnern) umverteilt werden. Gerade jetzt sind politische Forderungen nach stärkerer Besteuerung der Gewinne, Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte, Vermögenssteuer, usw. wichtig, genauso wie eine Fortsetzung offensiver Tarifpolitik, die eine deutliche Abkehr von einer "Politik der Bescheidenheit" bedeutet. Die hohe Beteiligung an Warnstreiks und die hohe Streikbereitschaft in diesem Jahr macht deutlich, daß für viele Arbeiter und Angestellte Lohn- und Verteilungsfragen einen hohen Stellenwert haben und es nach wie vor eine große Mobilisierungsbereitschaft für eine Politik größerer sozialer Gerechtigkeit gibt. Dabei gilt es aber realistisch einzuschätzen, daß sich hieraus keine soziale Bewegung verfestigt hat und daß über Tarifpolitik alleine die soziale Lage von prekär beschäftigten Lohnabhängigen und den meisten Haushalten, die von Transfereinkommen, leben nicht wesentlich beeinflußt werden kann
Auch wenn sich leider nur noch eine Minderheit in den Gewerkschaften und wahrscheinlich auch in der Gewerkschaftslinken für eine kollektive Arbeitszeitverkürzung (mit vollem Lohnausgleich stark macht, bleibt diese Orientierung aus beschäftigungspolitischen, sozialen und kulturellen Gründen ein zentraler Anknüpfungspunkt für linke Politik.
Damit sich wieder eine politische Bereitschaft nur einer der Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder für Arbeitszeitverkürzung herausbilden kann, sind u.a. folgende Schritte notwendig:
Die Beseitigung von Massenarbeitslosigkeit, Armut und das Eintreten für soziale Grundrechte muß im Zentrum der aktuellen Gewerkschaftspolitik stehen. Aus ökonomischen und ökologischen Gründen ist Vollbeschäftigung über Wirtschaftswachstum nicht mehr möglich. Deshalb ist ein wichtiges Element gegen die Massenarbeitslosigkeit die Umverteilung von Arbeit durch radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Jedoch wird es ohne staatliche Arbeitsmarktpolitik und Ausdehnung öffentlicher Beschäftigung zu regulären tariflichen Bedingungen keinen Abbau der Massenarbeitslosigkeit geben. Alle Versuche zum Arbeitszwang und der Verpflichtung unzumutbare Arbeitsverhältnisse einzugehen, müssen abgewehrt werden. Dies deutlich zu machen ist eine besondere Verpflichtung der gewerkschaftlichen Linken, weil die Forderung "Arbeit, Arbeit, Arbeit" ohne Bezug zur "Zumutbarkeit" und zum Sinn derArbeit- also eine traditionelleArbeitsethik - viele Anknüpfungspunkte bei Gewerkschaftsfunktionären und Mitgliedern findet. Diese Klarstellung ist nötig, weil der Entwurf der sog. Dienstleistungsgesellschaft immer mehr zur Dienstbotengesellschaft mit vielen Niedriglohnbereichen verkommt.
Der Kampf um sinnvolle Arbeit und für Arbeitszeitverkürzung muß flankiert werden durch neue sozialstaatliche Garantien in Form einer existenzsichernden Sozialeinkommen, die Menschen wirklich vor Armut schützen.
Eine Fortsetzung des kapitalistischen Produktions- und Konsummodells ist ökologisch gefährlich. Eine Ökonomie, die beständig die ökologischen Lebensgrundlagen zerstört ist nicht tragbar. Ökologische und soziale Ziele sollen deshalb miteinander verbunden werden. Auch in unserer Praxis der der Gewerkschaftslinken findet diese Verknüpfung noch viel zu selten statt.
Das Terrain für eine erneuerte gewerkschaftliche Sozialpolitik ist weit gesteckt:
Zu einen geht es darum, die massiven Ein- und Angriffe in das System der solidarischen Sozialversicherung abzuwehren. Bedenklich ist dabei, daß Teile der IGM und der "gewerkschaftsnahe" Arbeitsminister Elemente des Kapitaldeckungsverfahrens in das Rentensystem einführen wollen. Dadurch wird die Altersssicherung nicht stabiler, sondern einem beträchtlichem Investitionsrisiko ausgesetzt. .Einfallschneisen der Privatisierung werden geschlagen. Erfahrungen mit Pensionsfonds in anderen Ländern, die geradezu Prototypen des shareholder-values zu Lasten der aktiven Lohnabhängigen sind, werden ignoriert.
Es kann uns nicht nur um die Verteidigung des Sozialversicherungssystems gehen. Zu einen muß das Element der Demokratisierung und Selbstverwaltung ausgebaut werden, zum anderen gibt es im Sozialversicherungssystem Diskriminierungen zu Lasten einzelner Beschäftigtengruppen und immer noch keine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung.
Bedauerlicherweise hat der Fetisch der niedrigeren Lohnnebenkosten auch in Gewerkschaftskreisen viele AnhängerInnen. Dabei sind die "Lohnnebenkosten" nur die Kostenseite einer funktionierenden Gesundheits- und Altersversorgung. So gibt es z.B. keine einheitliche Politik der Gewerkschaften im Bereich der Gesundheitspolitik und Krankenversicherung: nur eine Minderheit der DGB-Gewerkschaften verteidigt eine moderne und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung, während der andere Teil der Gewerkschaften niedrigere Krankenkassenbeiträge als Wert an sich betrachtet.
Strukturreformen im Bereich der Sozialversicherung wie z.B. eine Pflichtversicherung ohne Ausnahmen und die Aufhebung(Erhöhung) der Beitragsbemessungsgrenzen sowie verläßliche Bundeszuschüsse für die Renten- und Arbeitslosenversicherung könnten die Lage entspannen.
In diesem Feld gibt es immerhin eine lebhafte innergewerkschaftliche Diskussion. Ganz anders im Bereich der sogen. "Arbeitsmarktpolitik". Die Verfestigung einer immer repressiveren Sozialhilfepraxis und einer immer rigoroser praktizierten Verfügbarkeit der Arbeitslosen in der Vermittlungspraxis der Arbeitsverwaltung ist nur auf leisen Widerspruch der Gewerkschaften gestoßen. Diese Defizite müssen beseitigt werden, wenn die Gewerkschaften und vor allem die Gewerkschaftslinke glaubwürdig mit einem sozialpolitischen Mandat auftreten wollen.. Letztendlich geht es darum, daß sich die Gewerkschaftslinke ein eigenesVerständnis von allgemeinen sozialen Grundrechten erarbeitet.
Eines der Hauptangriffsziele der neoliberalen Konterreform war und ist der öffentliche Sektor als einer der Eckpfeiler des europäischen "Wohlfahrtsstaates". Bei der Verteidigung des öffentlichen Sektors hat die Linke eine Reihe von Fehlern gemacht. So wurde häufig übersehen, daß auch in dem wohlfahrtsstaatlichen Teil des Staatsapparates repressive Elemente der sozialen Kontrolle wirken.
In der aktuellen Auseinandersetzung um die Ökonomisierung der öffentlichen Dienste unterschätzen die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes die destruktive Dynamik des "neuen Steuerungsmodells" und der Einführung betriebswirtschaftlicher Logik in sozialstaatliche Einrichtungen. Es gibt in der Praxis faktisch kein gewerkschaftliches Modernisierungsmodell, das sich von den "ökonomistischen" Ansätzen der Privatisierung und marktwirtschaftlichen Steuerungsansätzen abhebt.
Die Gewerkschaften des privaten Sektors stehen der wichtigen sozialen Funktion des öffentlichen Dienstes und der öffentlichen Unternehmen häufig gleichgültig gegenüber. In der Wahrnehmung vieler Funktionäre geht es bei den öffentlichen Diensten sehr oft nur um Steuerlast und nicht um Sozialstaatsfunktionen.
Bei der Debatte um das Programm von ver.di der "Dienstleistungsgewerkschaft" wurde eine Chance vertan. Es ist nicht gelungen, einen Konsens um die strategische Bedeutung eines demokratisch strukturierten öffentlichen Sektor für den Sozialstaat zu erarbeiten. Dies hat auch gewerkschaftspolitische Konsequenzen. Die Zukunft sozial gesicherten Dienstleistungsarbeit hängt auch davon ab, ob eine Gesellschaft ihren Dienstleistungssektor schwerpunktmäßig privat-marktwirtschaftlich oder öffentlich-reguliert organisiert. Das Beispiel der Pflegearbeit zeigt, daß diese gesellschaftspolitische Grundsatzentscheidung sowohl die "Qualität" der Dienstleistung als auch die Stabilität der Arbeitsverhältnisse berührt.
Die Diskussion um den Stellenwert von Erwerbsarbeit ist für die Gewerkschaften und die Gewerkschaftslinke nicht leicht. Dies macht sich an den Kontroversen um die "Grundsicherungsdebatte" und an der ökologischen Frage fest. Die Schwierigkeiten sollen kurz beschrieben werden:
In der "linken" Grundsicherungsdebatte gibt es Momente, die zu einer gewissen Ignoranz gegenüber den immer noch aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Arbeit und Kapital beitragen. Zudem sind manche negativen Rückwirkungen der Forderung nach einem "Existenzgeld für alle" auf die vorhandenen Sozialversicherungssysteme nicht ausreichend bedacht.
Auf der anderen Seite kann die traditionelle gewerkschaftliche Orientierung auf die Zentralität der Erwerbsarbeit dazu führen, die Schwierigkeiten vieler Menschen mit sinnentleerter, unwürdiger Arbeit - gerade in dem bereits bestehenden Niedriglohnsektor - aus dem Auge zu verlieren. Die arbeitspolitischen Vorstellungen der Gewerkschaftslinken sind vielleicht manchmal weniger von der herrschenden Arbeitsethik entfernt, als wir uns das vorstellen können.
Es fällt auf, daß nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Gewerkschaften ökologische Fragestellungen (....sinnvolle am Gebrauchswert orientierte Produktion) zum Ende der 80er Jahre gegenwärtiger waren als heute.
Dieses Diskussionen, die viele Differenzen deutlich machen werden, lohnen sich. Sie würden auch die Gewerkschaftslinke als intellektuelles Zentrum für andere gesellschaftliche Strömungen attraktiv machen.
Seit Jahren beobachten wir einen grundlegenden Formationswandel der Konzerne. Zum einen gibt es eine nie dagewesene Konzentration von Kapital durch Fusionen und Aufkäufe und zum anderen eine Zergliederung der Betriebe. So entsteht vielfach ein neuer Betriebstyp in dem verschiedene Betriebs- und Beschäftigungsformen zentral gesteuert werden. Meist geht dieser Prozess mit Arbeitsplatzabbau, sozialen Verschlechterungen, Erosion von sozialen Standards und einer Schwächung von Betriebsräten und Gewerkschaft einher.
Die jahrzehntelang eingeübte Praxis Sozialpläne zu verabschieden ist schon lange an seine Grenzen gekommen und kann nur bei Inkaufnahme einer weiteren Schwächung der Gewerkschaften fortgesetzt werden. Vielmehr wird es immer wichtiger Gegenstrategien zu entwickeln, die den Kampf um die Arbeitsplätze, sozialen Standards und die Möglichkeit, sich zu organisieren in den Vordergrund stellen. Dabei ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit genauso wichtig, wie die Verbindung betrieblicher Auseinandersetzungen mit den Interessen der Region. Die Infragestellung kapitalistisch/betriebswirtschaftlicher Sachzwanglogik darf dabei kein Tabu sein. Die Gewerkschaften und Betriebsräte dürfen sich nicht nur für die sozialen Folgen unternehmerischer Entscheidungen zuständig fühlen.
Die Gewerkschaften dürfen sich nicht auf die Interessenvertretung schwindender Kernbelegschaften reduzieren, sondern müssen einerseits die zunehmenden Spaltungsprozesse, Prekarisierung und Verarmung der Arbeiterklasse bekämpfen, andererseits die Arbeitslosen und prekarisierten Menschen vertreten, sowie für deren materielle Interessen und soziale Integration eintreten. Dies hängt eng zusammen mit der Aneignung sozialpolitischer Kompetenz und der Aufarbeitung auch der Defizite der Gewerkschaftslinken. (siehe These 4)
Bei dem derzeitigen Zustand der Gewerkschaften besteht an der Notwendigkeit einer inneren Demokratisierung kein Zweifel. Die seit Jahren zu beobachtende Tendenz Konflikte auf Spitzengesprächsebene zu "lösen", gefasste Beschlüsse leichtfertig der Tagespolitik zu opfern, keine Forderungsdiskussionen an der Basis zu führen, sondern diese über die Medien zu propagieren, baut innergewerkschaftliche Demokratie ab und fördert die Lethargie der Mitglieder. Demgegenüber soll die Mitgliederbeteiligung durch Formen direkter Demokratie ausgebaut werden.
Das ganze ist im Übrigen nicht nur ein Problem mangelnder formaler Demokratie: Genauso bedenklich ist, daß im gewerkschaftlichen Leben bestimmte Personengruppen kaum ein Rolle spielen. Die Attraktivität für jüngere Beschäftigte, Frauen und neue Gruppen von Lohnabhängigen sinkt weiter, weil das an Großbetrieben und Betriebsräten ausgerichtete Organisationsmodell immer mehr an seine Grenzen stößt.
Und letztens werden die Gewerkschaften neue Arbeitskampfformen - und Strategien entwickeln müssen wenn sie nicht ohnmächtig der Verschiebung des Kräfteverhältnisses zuschauen wollen. Dazu gehört die Enttabuisierung des politischen Streiks, wie auch der Aufbau sozialer Netzwerke für Kampagnen verschiedener Art, die auch Formen wie Boykott, Störung der Betriebsabläufe, Betriebsbesetzungen, Straßenblockaden, usw. nicht ausschließen. Diese häufiger als vermutet praktizierten, jedoch selten verallgemeinerten Arbeitskampfformen können in Verbindung mit dem politischen Perspektivenwechsel das emanzipatorische Potential bei den Gewerkschaftsmitgliedern verstärken. Dabei gilt es einem verkürzten Sichtweise vorzubeugen: Die neuen "Methoden" dürfen nicht als moderne "Gewerkschaftstechnik" zur Steigerung der Effektivität in Tarifrunden mißverstanden werden. Sie können sich nur entfalten, wenn sie auch Momenten der Selbstorganisation und Eigenaktivität mehr Raum geben mit anderen Worten "antiautoriär" wirken. Außerdem hängen moderne Formen der Organisierung auch an "modernen" politischen Inhalten wie z.B. einem sehr weiten das ganze Alltagsleben umfassenden Begriff von Gewerkschaftsarbeit.
In der Verbesserung betrieblicher und gesellschaftlicher Konflikt- und Artikulationsfähigkeit liegt auch eine wichtige Alternative zu den verhängnisvollen Mitbestimmungsthesen der Stiftungen Böckler/Bertelsmann, die einen klaren Bruch mit dem bisherigen Verständnis von gewerkschaftlicher Interessenpolitik vollziehen. Statt Gegenmacht und Konfliktfähigkeit wird hier der Anpassung an die Standortlogik des Kapitals und der Verbetrieblichung der Tarifpolitik das Wort geredet.
Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß das bestehende Mitbestimmungsmodell bereits heute mehr ein Integrationsinstrument als ein Beitrag zur Herstellung von Gegenmacht ist. Deshalb ist es umso wichtiger, daß die Forderungen nach Ausweitung demokratischer Rechte, vor allem die Ausweitung direkter Demokratie durch die Beschäftigten und nach Aufhebung der Trennung von Ökonomie und Demokratie einer weiteren Verkrüppelung der Mitbestimmung entgegengesetzt werden. Die Reform der Betriebsverfassung muß daher auch die Stärkung der Individualrechte der Beschäftigten umfassen
Die Organisationsdebatte (z.B. ver.di) in den Gewerkschaften leidet nicht nur daran, daß eine gewerkschaftspoltische programmatische Verständigung nur an der Oberfläche stattfindet. Die gewerkschaftliche Krise wird bis heute nicht als politische Krise begriffen. Demnach wird der Ausweg auch nicht in einer Repolitisierung der Gewerkschaftsarbeit gesucht. Aber es ist auch das Organisationskozept der neuen Struktur selber, das Gewerkschaften als soziale Bewegung nicht stärker macht und auch die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften nicht auf- sondern nur auf eine andere Stufe hebt. Der DGB als Dachorganisation -wird geschwächt und nicht gestärkt. Hier und da beschleicht einen sogar das Gefühl, daß gewerkschaftsübergreifende Solidarität einem engen Horizont, der Gewerkschaften als Profitcenter begreift, gewichen ist. Trotz der aufgesetzten Aufbruchsstimmung der Gewerkschaftsvorstände für die "Fusionen" haben wir den Eindruck, daß mit den neuen Organisationsstrukturen auch ein neues politisch-kulturelles Konzept verbunden ist. Gewerkschaften werden vorrangig als Dienstleistungsunternehmen für Arbeitnehmer/innen verstanden. So bekommt der Begriff Dienstleistungsgewerkschaft einen ganz anderen Klang. Eine Praxis von Gewerkschaft als soziale und politische Bewegung wird bewußt oder unbewußt behindert.
Gegenvorschläge, wie z.B. intelligente Kooperationen zwischen Gewerkschaften oder Kartellmodelle werden leider nicht gleichberechtigt in der Diskussion berücksichtigt.
Hier muß die Gewerkschaftslinke selbstkritisch einräumen, daß sie überwiegend in der Auseinandersetzung um ver.di in den jeweiligen Interessenlagen und Blickwinkeln der eigenen Organisation befangen ist. Ein "konzertiertes" Handel der Linken in IG Medien, HBV, ÖTV und Postgewerkschaft hat bisher nicht stattgefunden.
..... dieser Teil wird nachgetragen
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace |
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