Quo vadis Gewerkschaftslinke? Für einen Perspektivwechsel der um Perspektiven
ringenden Gewerkschaftslinken
Dortmunder Vorschläge zur Anregung der Wiederaufnahme der Debatte um
gewerkschaftliche Perspektiven von Helmut Weiss, Ulrich Leicht, Anne Eberle
http://www.opentheory.org/do-perspektiven-gl/v0001.phtml
Quintessenz der Thesen - Kurzfassung gebündelt in erweiterter These 7.
These 7: Optionen für eine andere Gewerkschaftspolitik
(In der Fassung 1.3 vom August 2001 - These 7 ist selbstverständlich die
Schlußfolgerung aus den vorherigen sechs, aber unabhängig lesbar)
7.1 : Struktur- und Tarifpolitik der Gewerkschaften müßten eine
Technologie für Menschen (statt umgekehrt) anstreben, anstelle einer Politik,
die dazu beiträgt, den Standort Deutschland zu stärken
- Dazu müssen die Gewerkschaften eine (bisher im Kapitalismus wie im
Sozialismus vermiedene) Politik des Nutzens sinnvoller, - dh diskutierter
- technologischer Neuerungen zur Erhöhung der Lebensqualität der
Menschen entfalten. Grundlage für radikale Arbeitszeitverkürzung
aller Art und Aufteilung der Arbeit, unter gesellschaftlicher Debatte von
Notwendigkeit und Sinn; dh konkrete Leitbilder für eine positive Nutzung
neuer Technologien anstelle von Co-Management und Beschränkung auf Technikfolgenabschätzung
- Diese Ausrichtung bildet auch eine Grundlage dafür, daß Gewerkschaften,
im Bündnis mit allen denkbaren Kräften, international wirksam werden,
statt Partner in der internationalen Konkurrenz zu sein
7.2 : Eine Politik der Aufhebung gesellschaftlicher Spaltungen muß entwickelt
werden, anstelle der konsequenten Vertiefung von Gräben
- Aus dem Fundus: nationalistische Greencard- Stellungnahmen, Verteidigung
teutscher Arbeitsplätze, Zustimmung zu Schröders nationalistischer
EU Osterweiterung (siehe den Beifall für seinen Auftritt bei der ver.di
Gründung), Zustimmung zur weiteren Ausgrenzung von Erwerbslosen- sofern
sie rot-grün organisiert ist, kontinuierliche Einkommensspreizung im
Sinne der bürgerlichen und sozialistischen - Leistungsideologie,
Beteiligung an der Jagd auf illegale Migranten (Baurazzien) etc...
- Dagegen muß eine Politik der Annäherung, der Versöhnung,
der Gemeinschaft unter jenen Menschen betrieben werden, die keine anderen
für sich arbeiten lassen: Weg mit Sondergesetzen a la Ausländergesetz,
Einbeziehung von Erwerbslosen in die Tarifkämpfe, Stärkung aller
Ansätze von Selbstorganisation, Weg mit Niedriglohngruppen, Festgeldforderungen
7.3 : Die Entwicklung eigener gesellschaftlicher Vorstellungen muß im
Zentrum stehen, anstelle einer Politik, die sich auf Lobbyistentum und Kooperation
mit verschiedensten politischen Parteien zentriert
- Eine Politik der Eigenständigkeit, der Bündnisfähigkeit,
der gesamtgesellschaftlichen Wirksamkeit muß entwickelt werden, die
auch ein neues Selbstverständnis weg von der Tarifmaschine impliziert.
- Fressen - beispielsweise - Mieten immer mehr vom Einkommen, ist es eine
denkbare Alternative (zum reinen Lohntarif) gesellschaftliche Bewegungen dagegen
zu entfalten, was nicht nur übergewerkschaftliche Ansätze eher möglich
macht, sondern andere Schichten einbeziehen kann.
- Sind z.B die Spielräume für betrieblichen Widerstand gegen Entlassungen
enger geworden, gilt es erst recht überbetriebliche Alternativen (nicht
nur der Arbeitszeitverkürzung verschiedenster Art) zu entwickeln, die
nicht den Opfergang zugunsten der Aktionäre bedeuten
- Eine Politik die den persönlichen Nutzen von Bildung und Weiterbildung
insofern umsetzt, als sie darauf beharrt, daß berufliche Weiterbildung
betrieblich finanziert sein muß, daß aber lebenslanges Lernen
viel mehr (und ganz anderes) heißt - und die hilft, hier entsprechende
Vorstellungen der Betroffenen zu entwickeln und durchzusetzen.
7.4 : Eine solchen Zielen entsprechende organisatorische Flexibilität
muß entwickelt werden anstelle des Dogmas von Dienstleistungsbunkern und
Sekretärsburgen
- Ein Gebilde wie ver.di müßte dann nicht zähneknirschend
jahrelange Organisationsdebatten (wg Machterhalt) voraussehen, sondern ständige
Veränderung der Organisation als Prinzip haben : Kein Organisationsmodell,
das auf dem Sekretär in Lebensstellung aufbaut, Schluß mit der
Diffamierung gewerkschaftlichen Engagements als "Ehrenamt" (in der Regel:
für Senioren), gewerkschaftliche Präsenz in zentralen Bereichen
(incl Schulen, Hochschulen etc), ausstrahlungskräftige Modellprojekte
unter Einbeziehung der Mitgliedschaft und neuer Kooperationspartner: Leuchttürme.
- Statt der alten Floskel "zahlst Du für uns 50 Mark, machen wir uns
für Dich stark" können nur so jene Bereiche kleiner Betriebe, neuer
Branchen, gewerkschaftsferner Beschäftigter erschlossen werden: Zeigen,
was Gewerkschaften wert sind...
7.5 : Gemeinsame Suche, Debatte und Offenheit müssen als Prinzip durchgesetzt
werden, anstelle einer Politik, die die Positionen der jeweils eigenen Strömung
für die Lösung aller Gewerkschaftsprobleme durchsetzen will
- Wo Sozialpartner qua Macht die Kooperation mit der neuen/alten Mitte, Dienstleister
die Überlebenssicherung qua "Service" a la Böckler/Bertelsmann,
Klassenkämpfer qua Politisierung und Radikalisierung der Tarifmaschine
je ihre Vision mit unterschiedlichen Chancen - durchsetzen wollen,
muß eine Ausrichtung auf Flexibilität, auf Sicherung des Potenzials
für verschiedene Zukunftsoptionen betrieben werden.
- Für Gestaltung: Beispielsweise bei der erwähnten Bildungs- und
Ausbildungsfrage, einer Strukturpolitik, die sich der Vernutzung von Menschen
widersetzt etc;
- Für Dienstleistung: wenn sie Sinn macht. Statt teuerer Reisen und nutzloser
Versicherungen Dinge wie der Presseausweis der IG Medien, Verbilligungen,
aber auch - und erst recht: Hilfe bei Einbürgerungsverfahren, (Rechts-)Hilfe
für Illegale etc...
- Für Gegenmacht: Jede Chance auf gesamtgesellschaftliche Mobilisierung,
auch und gerade für grundsätzliche Ziele nutzen, statt die jeweiligen
Vorgaben zur besseren Verwertung sozial auszugestalten
So hätten Gewerkschaften die Chance, eine soziale Bewegung zurEmanzipation
der Menschen, die nicht an der Arbeit anderer verdienen zu werden - das wäre
unsere Option. Die muß nicht die alleinseligmachende sein, aber bleiben
die Gewerkschaften, wie sie sind: Todesfall.
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