Forum Gewerkschaften
»Wir brauchen eine andere Politik«
Diese zentrale Botschaft der DGB-Kampagne für Arbeit und
soziale Gerechtigkeit hat nichts an Aktualität eingebüßt. Der
Regierungswechsel vor einem Jahr war kein Startschuss für eine andere Politik.
Wir bestreiten nicht die positiven Ansätze: Wiederherstellung des Kündigungsschutzes
und der vollen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Neuregelung von geringfügiger
Beschäftigung und Scheinselbständigkeit, steuerliche Entlastung für
ArbeitnehmerInnen und Kindergelderhöhung.
Mit dem sog. Zukunftsprogramm 2000 sind diese Ansätze
einer Abkehr vom Neoliberalismus jedoch weitgehend verschwunden. Schröder
und Eichel haben die Prioritäten verändert: nicht mehr der Abbau der
Arbeitslosigkeit hat Vorrang, sondern der Abbau der Staatsverschuldung. Zu ihrem
Sparkurs soll es angeblich keine Alternative geben. Ein Schrumpfprogramm, das
bis zum Jahr 2006 die Nettokreditaufnahme auf Null senken soll, ist aber keine
zukunftsorientierte Politik. Arbeitslosigkeit wird verwaltet statt vermindert,
die Umverteilung von unten nach oben wird fortgesetzt, Armut verstärkt
statt soziale Gerechtigkeit hergestellt. Zu einem solchen Kurs gibt es sehr
wohl finanzierbare Alternativen, wie auch führende amerikanische Wirtschafts-
und Sozialwissenschaftler dieser Tage betont haben. Politische Gestaltung ist
angesagt.
Soziale Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke
- Erneut ist geplant, Haushaltslöcher auf Kosten der
Ärmsten zu stopfen. Zum Beispiel sollen durch Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge
für BezieherInnen von Arbeitslosenhilfe 4,5 Mrd. DM pro Jahr »gespart«
werden, durch den Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe 1-1,3 Mrd.
DM. Zudem will diese Politik den Druck auf die Arbeitslosen verstärken,
jeden Job anzunehmen. Doch Massenarbeitslosigkeit, nicht massenhafte Arbeitsverweigerung
ist das Problem.
- Die Anhebung von Renten, Arbeitslosengeld/-hilfe und
Sozialhilfe soll in 2000/2001 auf den Inflationsausgleich begrenzt bleiben.
Dadurch würden die Lohnersatzleistungen von der Entwicklung der Lohneinkommen
abgekoppelt.
- Die finanzielle Besserstellung der Familien mit Kindern
verstärkt die soziale Schieflage. Die Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrages
führt zu einer Begünstigung von Familien mit hohen Einkommen.
- Die vorgesehenen Eingriffe in die gesetzliche Rentenversicherung
machen die Zukunft der Alterseinkommen zum Spielball der Haushaltspolitik.
Das sog. Altersvorsorgepaket stellt Weichen für den schrittweisen Umbau
des Systems der kollektiven Alterssicherung: Weg von der solidarischen Absicherung
sozialer Risiken, hin zu mehr privater Vorsorge, die keinerlei Solidarausgleich
kennt. Durch die geplante Aufgabe der paritätischen Finanzierung wird
zudem die Belastung der ArbeitnehmerInnen in den kommenden Jahrzehnten höher
liegen als unter Beibehaltung des heutigen Rentenrechts.
Die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit wird vertagt
- Die Bundesregierung will bis 2003 die öffentlichen Investitionen um
5 Mrd. DM (8%) kürzen. Das macht deutlich: diese Sparpolitik geht auf
Kosten zukunftssicherer Arbeitsplätze und künftiger Generationen.
Hinzu kommt, dass Personal bei Bund, Ländern und Gemeinden abgebaut und
die öffentliche Nachfrage gesenkt werden soll.
- Reale Nullrunden für Arbeits- und Sozialeinkommen schädigen die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage, schwächen damit die Konjunktur, gefährden
Arbeitsplätze und verstärken die soziale Ungerechtigkeit. Steuerentlastungen
bei Unternehmensgewinnen und großen Vermögen sind ein untaugliches
Instrument zur Stärkung von Investitionen und zur Sicherung von Arbeitsplätzen.
Die Gewerkschaften haben für einen Politikwechsel gestritten.
Davon ist wenig zu spüren. Wir fordern eine Politik für Arbeit und
soziale Gerechtigkeit. Wer wirklich öffentliche Schulden abbauen und den
Sozialstaat sichern will, muss sich für aktive Beschäftigungspolitik
und für eine gerechtere Besteuerung von Kapital- und Vermögenseinkommen
einsetzen.
Wir fordern:
- Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit durch ein mittelfristig angelegtes
Beschäftigungsprogramm, Ausbau öffentlicher Beschäftigung in
den Bereichen Bildung, Gesundheit, Kultur, Erziehung und Pflege sowie durch
die Verkürzung der Arbeitszeit.
- energische Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsplatzmangel,
Einführung einer Ausbildungsumlage für alle Betriebe, die nicht
ausbilden.
- Abbau der Überstunden im Wege einer Novellierung des Arbeitszeitgesetzes.
1,9 Milliarden Überstunden um ein Drittel verringert würde 400.000
Vollzeitarbeitsplätze schaffen.
- Änderung der rentenrechtlichen Vorgaben, um die Bedingungen für
ein früheres Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (Rente mit 60) zu verbessern
und damit einen Beitrag zur Reduzierung der Massenarbeitslosigkeit zu leisten.
- Besteuerung des Ressourcenverbrauchs zur Finanzierung von ökologischen
Umbauprogrammen und Zukunftsinvestitionen.
- Aufstockung der öffentlichen Investitionen (statt der vorgesehenen
Kürzung), Förderung innovativer Technologien und Produkte.
Ein Programm »Arbeit für alle und soziale Gerechtigkeit«
ist finanzierbar
- Abbau von Steuervergünstigungen und Privilegien für Unternehmen
und Besserverdienende, Einschränkung des Ehegatten-Splitting (Realsplitting)
- Einkommensbesteuerung auf der Grundlage der Erfassung aller Kapital- und
Vermögenserträge, Bekämpfung der Steuerhinterziehung
- Wiedererhebung der Vermögensteuer für private Haushalte bei einem
Freibetrag von 500.000 DM in Höhe von 1 vH (Ertrag 30 Mrd.DM) bzw. Einführung
einer einträglichen Luxusbesteuerung
- europäische Regelung für die Einführung einer Devisenumsatz-
und Spekulationssteuer (Tobin-Tax).
Wir fordern dazu auf und setzen uns in unseren Organisationen
dafür ein, mit öffentlichen Aktivitäten und Aktionen für
eine Politik für Arbeit und soziale Gerechtigkeit einzutreten und zu werben.
Kontaktadresse: Forum Gewerkschaften, Red. Sozialismus, c/o
VSA-Verlag,
St. Georgs Kirchhof 6, 20099 Hamburg; Fax 040/280 505 68; e-mail: vsa-verlag@t-online.de
Zur Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit der Aktion »Wir brauchen eine
andere Politik« - für Aufrufe, Anzeigen, Veranstaltungen - bitten wir um
Spenden auf das Konto:
R. Detje-Euscher Konto-Nr. 1268 125 554, Hamburger Sparkasse, Blz 200 505 50
-
Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner des Aufrufs
»Wir brauchen eine andere Politik«
- Elmar Altvater, Professor für
Politikwissenschaften, FU Berlin
- Berthold Balzer, Landesbezirksvorsitzender
IG Medien Hessen
- Helmut Berger, Landesvorsitzender
NGG Baden-Württemberg
- Theodor Bergmann, em. Professor für
internationale Agrarpolitik, Stuttgart
- Heinz Bierbaum, Professor für
Betriebswirtschaftslehre, INFO-Institut Saarbrücken
- Manfred Birkhahn, Landesbezirksvorsitzender
HBV Berlin
- Joachim Bischoff, Redakteur der Monatszeitschrift
Sozialismus
- Reinhard Bispinck, Leiter des WSI-Tarifarchivs
in der Hans-Böckler-Stiftung
- Rainer Bliesener, DGB-Landesvorsitzender
Baden-Württemberg
- Mathias Brodkorb, Juso-Landesvorsitzender
Mecklenburg-Vorpommern
- Hansgeorg Conert, em. Professor für
Politische Wissenschaften, Universität Bremen
- Gerd Dallmann, Betriebsrat Offsetdruckerei
Springer, Ahrensburg
- Frank Deppe, Professor für Politische
Wissenschaften, Universität Marburg
- Klaus Ernst, 1. Bevollmächtigter
IG Metall Schweinfurt
- Ralf Fenske, Betriebsratsvorsitzender
Turmhausdruckerei/Stuttgarter Zeitungsgruppe
- Kurt Gentner, Betriebsratsvorsitzender
Mannheimer Morgen
- Udo Hautmann, Landesbezirksvorsitzender
IG Medien Südost
- Karl-Heinz Häuser, Bezirksvorsitzender
DPG Hessen/Rheinland-Pfalz
- Detlef Hensche, Vorsitzender der IG
Medien, Stuttgart
- Rudolf Hickel, Professor für
Finanzwissenschaften, Universität Bremen
- Uwe Hiksch, MdB, Kronach
- Dieter Hooge, Vorsitzender des DGB-Landesbezirk
Hessen
- Jörg Huffschmid, Professor für
Politische Ökonomie, Universität Bremen
- Frank Iwer, IMU-Institut, Stuttgart
- Anne Jenter, stellv. DGB-Landesvorsitzende
Baden-Württemberg
- Viktor Kalla, Betriebsratsvorsitzender
Frankfurter Rundschau.
- Heribert Karch, Leiter der Abt. Tarifpolitik
beim Vorstand der IG Metall
- Franz Kersjes, Landesbezirksvorsitzender
IG Medien NRW
- Gerhard Keuchel, Landesvorsitzender
HBV Nordrhein-Westfalen
- Werner Kirsch, Bezirkssekretär
DPG Hessen-Rheinland-Pfalz
- Klaus-Peter Kisker, Professor für
Volkswirtschaftslehre, FU Berlin
- Uwe Klemens, Landesbezirksvorsitzender
HBV Rheinland-Pfalz
- Dieter Knauß, 1. Bevollmächtigter
IG Metall Waiblingen
- Jürgen Knoll, Sekretär der
Landesbezirksleitung der HBV Rheinland-Pfalz
- Otto König, Vorstandsmitglied
der IG Metall, Hattingen
- Elke Lamprecht, Personalrätin
GEW, Frankfurt a.M.
- Jürgen Lamprecht, stellv. Landesvorsitzender
NaturFreunde Hessen
- Heinz Günter Lang, Netzwerk Gewerkschaftslinke,
Alsbach
- Klaus-Dieter Langen, Konzernbetriebsratsvorsitzender
Bundesdruckerei, Berlin
- Ulrike Lehmann, SPD-Landesvorstand
Mecklenburg-Vorpommern
- Hartmut Limbeck, Vorsitzender des
ÖTV-Bezirks NRW II
- Birgit Mahnkopf, Professorin für
Europäische Gesellschaftspolitik, FHW-Berlin
- Thomas Mayer-Fries, IMU-Institut,
Stuttgart
- Ursula Meyer, Konzernbetriebsratsvorsitzende
Heinrich Bauer Verlag Hamburg
- Margret Mönig-Raane, 1. Vorsitzende
der Gewerkschaft HBV
- Monika Papke, Geschäftsführendes
Hauptvorstandsmitglied der IG Medien
- Klaus Pickshaus, IG Medien-Hauptvorstandsverwaltung
- Florian Pronold, Juso-Landesvorsitzender
BayernSPD
- Heinz Jürgen Rieckhof, Betriebsrat
Offsetdruckerei Springer, Ahrensburg
- Bernd Riexinger, Geschäftsführer
der Bezirksverwaltung Stuttgart der HBV
- Wolf Jürgen Röder, geschäftsführendes
Vorstandsmitglied der IG Metall
- Günter Schachner, Vorstandsmitglied
der IG Metall, Peiting
- Marcel Schaller, SPD-Vorsitzender
UB München-Land
- Helmut Schauer, IG Metall-Vorstandsverwaltung
- Werner Schieder, MdL, SPD, Weiden
- Michael Schlecht, IG Medien-Hauptvorstandsverwaltung
- Helmut Schmidt, stellv. Konzernbetriebsratsvorsitzender
Heinrich Bauer Verlag, Köln
- Horst Schmitthenner, geschäftsführendes
Vorstandsmitglied der IG Metall
- Klaus Schönauer, Konzernbetriebsratsvorsitzender
Süddeutscher Verlag, München
- Thorsten Schulten, wissenschaftlicher
Mitarbeiter im WSI in der Hans-Böckler-Stiftung
- Frank Spieth, Vorsitzender des DGB-Landesbezirks
Thüringen
- Sybille Stamm, Landesbezirksvorsitzende
IG Medien Baden-Württemberg
- Johannes Steffen, Referent für
Sozialpolitik der Arbeiterkammer Bremen
- Rüdiger Timmermann, Mitglied
des geschäftsführenden Hauptvorstands der HBV
- Antje Trosien, SPD-Landesvorstand
Bayern
- Harald Unfried, SPD-Landesvorstand
Bayern
- Hans-Jürgen Urban, Leiter der
Abt. Sozialpolitik beim Vorstand IG Metall
- Willi van Oeyen, Ostermarschkomittee,
Frankfurt a.M.
- Wolfgang Vogel, MdL, SPD, Erlangen
- Walter Vogt, Vorstandsmitglied der
IG Metall, Andernach
- Ewald Wehner, ehem. Vorstandsmitglied
der DPG, Frankfurt
- Michael Wendl, Vorsitzender des ÖTV-Landesbezirks
Bayern
- Jörg Wiedemuth, Leiter der Abteilung
gewerkschaftliche Unternehmens- und Tarifpolitik beim Hauptvorstand der
HBV
- Franziska Wiethold, Mitglied im geschäftsführenden
Hauptvorstand der HBV
- Werner Wild, Landesvorsitzender HBV
Baden-Württemberg
- Roland Wutz, SPD-Landesvorstand Bayern
- Karl Georg Zinn, Professor für
Volkswirtschaftslehre, RWTH Aachen
- Hermann Zoller, Pressesprecher des
Hauptvorstands der IG Medien